Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite
Schwarzbeinigte Vögel,
Mit weißen Flügeln Meer-überflatternde,
Mit krummen Schnäbeln Seewasser-saufende,
Und thranigtes Robbenfleisch-fressende,
Eu'r Leben ist bitter wie Eure Nahrung!
Ich aber, der Glückliche, koste nur Süßes!
Ich koste den süßen Duft der Rose,
Der Mondschein-gefütterten Nachtigallbraut;
Ich koste noch süßere Josty-Baisers,
Mit weißer Seligkeit gefüllte;
Und das Allersüßeste kost' ich:
Süße Liebe und süßes Geliebtseyn.
Sie liebt mich! Sie liebt mich! die holde
Jungfrau!
Jetzt steht sie daheim, am Erker des Hauses,
Und schaut in die Dämm'rung hinaus, auf die
Landstraß',
Und horcht, und sehnt sich nach mir -- wahrhaftig!
Vergebens späht sie umher und sie seufzet,
Und seufzend steigt sie hinab in den Garten,
Schwarzbeinigte Voͤgel,
Mit weißen Fluͤgeln Meer-uͤberflatternde‚
Mit krummen Schnaͤbeln Seewaſſer-ſaufende‚
Und thranigtes Robbenfleiſch-freſſende,
Eu'r Leben iſt bitter wie Eure Nahrung!
Ich aber, der Gluͤckliche, koſte nur Suͤßes!
Ich koſte den ſuͤßen Duft der Roſe,
Der Mondſchein-gefuͤtterten Nachtigallbraut;
Ich koſte noch ſuͤßere Joſty-Baiſers,
Mit weißer Seligkeit gefuͤllte;
Und das Allerſuͤßeſte koſt' ich:
Suͤße Liebe und ſuͤßes Geliebtſeyn.
Sie liebt mich! Sie liebt mich! die holde
Jungfrau!
Jetzt ſteht ſie daheim, am Erker des Hauſes,
Und ſchaut in die Daͤmm'rung hinaus, auf die
Landſtraß'‚
Und horcht, und ſehnt ſich nach mir — wahrhaftig!
Vergebens ſpaͤht ſie umher und ſie ſeufzet‚
Und ſeufzend ſteigt ſie hinab in den Garten,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0024" n="16"/>
              <lg n="2">
                <l>Schwarzbeinigte Vo&#x0364;gel,</l><lb/>
                <l>Mit weißen Flu&#x0364;geln Meer-u&#x0364;berflatternde&#x201A;</l><lb/>
                <l>Mit krummen Schna&#x0364;beln Seewa&#x017F;&#x017F;er-&#x017F;aufende&#x201A;</l><lb/>
                <l>Und thranigtes Robbenflei&#x017F;ch-fre&#x017F;&#x017F;ende,</l><lb/>
                <l>Eu'r Leben i&#x017F;t bitter wie Eure Nahrung!</l><lb/>
                <l>Ich aber, der Glu&#x0364;ckliche, ko&#x017F;te nur Su&#x0364;ßes!</l><lb/>
                <l>Ich ko&#x017F;te den &#x017F;u&#x0364;ßen Duft der Ro&#x017F;e,</l><lb/>
                <l>Der Mond&#x017F;chein-gefu&#x0364;tterten Nachtigallbraut;</l><lb/>
                <l>Ich ko&#x017F;te noch &#x017F;u&#x0364;ßere Jo&#x017F;ty-Bai&#x017F;ers,</l><lb/>
                <l>Mit weißer Seligkeit gefu&#x0364;llte;</l><lb/>
                <l>Und das Aller&#x017F;u&#x0364;ße&#x017F;te ko&#x017F;t' ich:</l><lb/>
                <l>Su&#x0364;ße Liebe und &#x017F;u&#x0364;ßes Geliebt&#x017F;eyn.</l><lb/>
              </lg>
              <lg n="3">
                <l>Sie liebt mich! Sie liebt mich! die holde</l><lb/>
                <l>Jungfrau!</l><lb/>
                <l>Jetzt &#x017F;teht &#x017F;ie daheim, am Erker des Hau&#x017F;es,</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;chaut in die Da&#x0364;mm'rung hinaus, auf die</l><lb/>
                <l>Land&#x017F;traß'&#x201A;</l><lb/>
                <l>Und horcht, und &#x017F;ehnt &#x017F;ich nach mir &#x2014; wahrhaftig!</l><lb/>
                <l>Vergebens &#x017F;pa&#x0364;ht &#x017F;ie umher und &#x017F;ie &#x017F;eufzet&#x201A;</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;eufzend &#x017F;teigt &#x017F;ie hinab in den Garten,</l><lb/>
              </lg>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[16/0024] Schwarzbeinigte Voͤgel, Mit weißen Fluͤgeln Meer-uͤberflatternde‚ Mit krummen Schnaͤbeln Seewaſſer-ſaufende‚ Und thranigtes Robbenfleiſch-freſſende, Eu'r Leben iſt bitter wie Eure Nahrung! Ich aber, der Gluͤckliche, koſte nur Suͤßes! Ich koſte den ſuͤßen Duft der Roſe, Der Mondſchein-gefuͤtterten Nachtigallbraut; Ich koſte noch ſuͤßere Joſty-Baiſers, Mit weißer Seligkeit gefuͤllte; Und das Allerſuͤßeſte koſt' ich: Suͤße Liebe und ſuͤßes Geliebtſeyn. Sie liebt mich! Sie liebt mich! die holde Jungfrau! Jetzt ſteht ſie daheim, am Erker des Hauſes, Und ſchaut in die Daͤmm'rung hinaus, auf die Landſtraß'‚ Und horcht, und ſehnt ſich nach mir — wahrhaftig! Vergebens ſpaͤht ſie umher und ſie ſeufzet‚ Und ſeufzend ſteigt ſie hinab in den Garten,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/24
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/24>, abgerufen am 24.11.2024.