Manuscript kannte, theilt sie mit in seinem "Philipp Reiser", einem schon verschollenen Ro¬ mane, der die Geschichte des Verfassers ent¬ hält, oder vielmehr die Geschichte einiger hun¬ dert Thaler, die der Verfasser nicht hatte, und wodurch sein ganzes Leben eine Reihe von Ent¬ behrungen und Entsagungen wurde, während doch seine Wünsche nichts weniger als unbe¬ scheiden waren, wie z. B. sein Wunsch, nach Weimar zu gehen, und bey dem Dichter des Werthers Bedienter zu werden, unter welchen Bedingungen es auch sey, um nur in der Nähe Desjenigen zu leben, der von allen Menschen auf Erden den stärksten Eindruck auf sein Ge¬ müth gemacht hatte.
Wunderbar! damals schon erregte Goethe eine solche Begeisterung, und doch ist erst "unser drittes nachwachsendes Geschlecht" im Stande, seine wahre Größe zu begreifen.
Aber dieses Geschlecht hat auch Menschen hervorgebracht, in deren Herzen nur faules
Manuſcript kannte, theilt ſie mit in ſeinem “Philipp Reiſer”, einem ſchon verſchollenen Ro¬ mane, der die Geſchichte des Verfaſſers ent¬ haͤlt, oder vielmehr die Geſchichte einiger hun¬ dert Thaler, die der Verfaſſer nicht hatte, und wodurch ſein ganzes Leben eine Reihe von Ent¬ behrungen und Entſagungen wurde, waͤhrend doch ſeine Wuͤnſche nichts weniger als unbe¬ ſcheiden waren, wie z. B. ſein Wunſch, nach Weimar zu gehen, und bey dem Dichter des Werthers Bedienter zu werden, unter welchen Bedingungen es auch ſey, um nur in der Naͤhe Desjenigen zu leben, der von allen Menſchen auf Erden den ſtaͤrkſten Eindruck auf ſein Ge¬ muͤth gemacht hatte.
Wunderbar! damals ſchon erregte Goethe eine ſolche Begeiſterung, und doch iſt erſt “unſer drittes nachwachſendes Geſchlecht” im Stande, ſeine wahre Groͤße zu begreifen.
Aber dieſes Geſchlecht hat auch Menſchen hervorgebracht, in deren Herzen nur faules
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Manuſcript kannte, theilt ſie mit in ſeinem
“Philipp Reiſer”, einem ſchon verſchollenen Ro¬
mane, der die Geſchichte des Verfaſſers ent¬
haͤlt, oder vielmehr die Geſchichte einiger hun¬
dert Thaler, die der Verfaſſer nicht hatte, und
wodurch ſein ganzes Leben eine Reihe von Ent¬
behrungen und Entſagungen wurde, waͤhrend
doch ſeine Wuͤnſche nichts weniger als unbe¬
ſcheiden waren, wie z. B. ſein Wunſch, nach
Weimar zu gehen, und bey dem Dichter des
Werthers Bedienter zu werden, unter welchen
Bedingungen es auch ſey, um nur in der Naͤhe
Desjenigen zu leben, der von allen Menſchen
auf Erden den ſtaͤrkſten Eindruck auf ſein Ge¬
muͤth gemacht hatte.
Wunderbar! damals ſchon erregte Goethe eine
ſolche Begeiſterung, und doch iſt erſt “unſer
drittes nachwachſendes Geſchlecht” im Stande,
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Aber dieſes Geſchlecht hat auch Menſchen
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/65>, abgerufen am 21.11.2024.
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