Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Badekutschen, die Droschken der Nord¬
see, werden hier nur bis an's Wasser geschoben,
und bestehen meistens aus viereckigen Holzgestellen
mit steifem Leinen überzogen. Jetzt, für die
Winterzeit, stehen sie im Conversazionssaale, und
führen dort gewiß eben so hölzerne, und
steifleinene Gespräche, wie die vornehme Welt,
die noch unlängst dort verkehrte.

Wenn ich aber sage, die vornehme Welt, so
verstehe ich nicht darunter die guten Bürger Ost¬
frieslands, ein Volk, das flach und nüchtern ist,
wie der Boden, den es bewohnt, das weder
singen noch pfeifen kann, aber dennoch ein Ta¬
lent besitzt, das besser ist als alle Triller und
Schnurrpfeifereyen, ein Talent, das den Men¬
schen adelt, und über jene windige Dienstseelen
erhebt, die allein edel zu seyn wähnen, ich meine
das Talent zur Freiheit. Schlägt das Herz
für Freiheit, so ist ein solcher Schlag des Her¬
zens eben so gut, wie ein Ritterschlag, und das
wissen die freyen Friesen, und sie verdienen ihr

Die Badekutſchen, die Droſchken der Nord¬
ſee, werden hier nur bis an's Waſſer geſchoben,
und beſtehen meiſtens aus viereckigen Holzgeſtellen
mit ſteifem Leinen uͤberzogen. Jetzt, fuͤr die
Winterzeit, ſtehen ſie im Converſazionsſaale, und
fuͤhren dort gewiß eben ſo hoͤlzerne, und
ſteifleinene Geſpraͤche, wie die vornehme Welt,
die noch unlaͤngſt dort verkehrte.

Wenn ich aber ſage, die vornehme Welt, ſo
verſtehe ich nicht darunter die guten Buͤrger Oſt¬
frieslands, ein Volk, das flach und nuͤchtern iſt,
wie der Boden, den es bewohnt, das weder
ſingen noch pfeifen kann, aber dennoch ein Ta¬
lent beſitzt, das beſſer iſt als alle Triller und
Schnurrpfeifereyen, ein Talent, das den Men¬
ſchen adelt, und uͤber jene windige Dienſtſeelen
erhebt, die allein edel zu ſeyn waͤhnen, ich meine
das Talent zur Freiheit. Schlaͤgt das Herz
fuͤr Freiheit, ſo iſt ein ſolcher Schlag des Her¬
zens eben ſo gut, wie ein Ritterſchlag, und das
wiſſen die freyen Frieſen, und ſie verdienen ihr

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0090" n="82"/>
          <p>Die Badekut&#x017F;chen, die Dro&#x017F;chken der Nord¬<lb/>
&#x017F;ee, werden hier nur bis an's Wa&#x017F;&#x017F;er ge&#x017F;choben,<lb/>
und be&#x017F;tehen mei&#x017F;tens aus viereckigen Holzge&#x017F;tellen<lb/>
mit &#x017F;teifem Leinen u&#x0364;berzogen. Jetzt, fu&#x0364;r die<lb/>
Winterzeit, &#x017F;tehen &#x017F;ie im Conver&#x017F;azions&#x017F;aale, und<lb/>
fu&#x0364;hren dort gewiß eben &#x017F;o ho&#x0364;lzerne, und<lb/>
&#x017F;teifleinene Ge&#x017F;pra&#x0364;che, wie die vornehme Welt,<lb/>
die noch unla&#x0364;ng&#x017F;t dort verkehrte.</p><lb/>
          <p>Wenn ich aber &#x017F;age, die vornehme Welt, &#x017F;o<lb/>
ver&#x017F;tehe ich nicht darunter die guten Bu&#x0364;rger O&#x017F;<lb/>
frieslands, ein Volk, das flach und nu&#x0364;chtern i&#x017F;t,<lb/>
wie der Boden, den es bewohnt, das weder<lb/>
&#x017F;ingen noch pfeifen kann, aber dennoch ein Ta¬<lb/>
lent be&#x017F;itzt, das be&#x017F;&#x017F;er i&#x017F;t als alle Triller und<lb/>
Schnurrpfeifereyen, ein Talent, das den Men¬<lb/>
&#x017F;chen adelt, und u&#x0364;ber jene windige Dien&#x017F;t&#x017F;eelen<lb/>
erhebt, die allein edel zu &#x017F;eyn wa&#x0364;hnen, ich meine<lb/>
das Talent zur Freiheit. Schla&#x0364;gt das Herz<lb/>
fu&#x0364;r Freiheit, &#x017F;o i&#x017F;t ein &#x017F;olcher Schlag des Her¬<lb/>
zens eben &#x017F;o gut, wie ein Ritter&#x017F;chlag, und das<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en die freyen Frie&#x017F;en, und &#x017F;ie verdienen ihr<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0090] Die Badekutſchen, die Droſchken der Nord¬ ſee, werden hier nur bis an's Waſſer geſchoben, und beſtehen meiſtens aus viereckigen Holzgeſtellen mit ſteifem Leinen uͤberzogen. Jetzt, fuͤr die Winterzeit, ſtehen ſie im Converſazionsſaale, und fuͤhren dort gewiß eben ſo hoͤlzerne, und ſteifleinene Geſpraͤche, wie die vornehme Welt, die noch unlaͤngſt dort verkehrte. Wenn ich aber ſage, die vornehme Welt, ſo verſtehe ich nicht darunter die guten Buͤrger Oſt¬ frieslands, ein Volk, das flach und nuͤchtern iſt, wie der Boden, den es bewohnt, das weder ſingen noch pfeifen kann, aber dennoch ein Ta¬ lent beſitzt, das beſſer iſt als alle Triller und Schnurrpfeifereyen, ein Talent, das den Men¬ ſchen adelt, und uͤber jene windige Dienſtſeelen erhebt, die allein edel zu ſeyn waͤhnen, ich meine das Talent zur Freiheit. Schlaͤgt das Herz fuͤr Freiheit, ſo iſt ein ſolcher Schlag des Her¬ zens eben ſo gut, wie ein Ritterſchlag, und das wiſſen die freyen Frieſen, und ſie verdienen ihr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/90
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 2. Hamburg, 1827, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder02_1827/90>, abgerufen am 24.11.2024.