Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Als ich an den römischen Triumphbogen kam,
huschte eben ein schwarzer Mönch hindurch, und
fernher erscholl ein deutsch brummendes Werda?
Gut Freund! greinte ein vergnügter Diskant.

Welchem Weibe aber gehörte die Stimme, die
mir so süß unheimlich in die Seele drang, als
ich über die Scala Mazzati stieg? Es war Ge¬
sang wie aus der Brust einer sterbenden Nachti¬
gall, todtzärtlich, und wie Hülferufend an den
steinernen Häusern wiederhallend. Auf dieser
Stelle hat Antonio della Scala seinen Bruder
Bartholomeo umgebracht, als dieser eben zur
Geliebten gehen wollte. Mein Herz sagte mir,
sie säße noch immer in ihrer Kammer, und er¬
warte den Geliebten, und sänge nur, um ihre
ahnende Angst zu überstimmen. Aber bald schienen
mir Lied und Stimme so wohlbekannt, ich hatte diese
seidnen, schaurigen, verblutenden Töne schon früher
gehört, sie umstrickten mich wie weiche flehende

Als ich an den roͤmiſchen Triumphbogen kam,
huſchte eben ein ſchwarzer Moͤnch hindurch, und
fernher erſcholl ein deutſch brummendes Werda?
Gut Freund! greinte ein vergnuͤgter Diſkant.

Welchem Weibe aber gehoͤrte die Stimme, die
mir ſo ſuͤß unheimlich in die Seele drang, als
ich uͤber die Scala Mazzati ſtieg? Es war Ge¬
ſang wie aus der Bruſt einer ſterbenden Nachti¬
gall, todtzaͤrtlich, und wie Huͤlferufend an den
ſteinernen Haͤuſern wiederhallend. Auf dieſer
Stelle hat Antonio della Scala ſeinen Bruder
Bartholomeo umgebracht, als dieſer eben zur
Geliebten gehen wollte. Mein Herz ſagte mir,
ſie ſaͤße noch immer in ihrer Kammer, und er¬
warte den Geliebten, und ſaͤnge nur, um ihre
ahnende Angſt zu uͤberſtimmen. Aber bald ſchienen
mir Lied und Stimme ſo wohlbekannt, ich hatte dieſe
ſeidnen, ſchaurigen, verblutenden Toͤne ſchon fruͤher
gehoͤrt, ſie umſtrickten mich wie weiche flehende

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0160" n="152"/>
          <p>Als ich an den ro&#x0364;mi&#x017F;chen Triumphbogen kam,<lb/>
hu&#x017F;chte eben ein &#x017F;chwarzer Mo&#x0364;nch hindurch, und<lb/>
fernher er&#x017F;choll ein deut&#x017F;ch brummendes Werda?<lb/>
Gut Freund! greinte ein vergnu&#x0364;gter Di&#x017F;kant.</p><lb/>
          <p>Welchem Weibe aber geho&#x0364;rte die Stimme, die<lb/>
mir &#x017F;o &#x017F;u&#x0364;ß unheimlich in die Seele drang, als<lb/>
ich u&#x0364;ber die Scala Mazzati &#x017F;tieg? Es war Ge¬<lb/>
&#x017F;ang wie aus der Bru&#x017F;t einer &#x017F;terbenden Nachti¬<lb/>
gall, todtza&#x0364;rtlich, und wie Hu&#x0364;lferufend an den<lb/>
&#x017F;teinernen Ha&#x0364;u&#x017F;ern wiederhallend. Auf die&#x017F;er<lb/>
Stelle hat Antonio della Scala &#x017F;einen Bruder<lb/>
Bartholomeo umgebracht, als die&#x017F;er eben zur<lb/>
Geliebten gehen wollte. Mein Herz &#x017F;agte mir,<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;a&#x0364;ße noch immer in ihrer Kammer, und er¬<lb/>
warte den Geliebten, und &#x017F;a&#x0364;nge nur, um ihre<lb/>
ahnende Ang&#x017F;t zu u&#x0364;ber&#x017F;timmen. Aber bald &#x017F;chienen<lb/>
mir Lied und Stimme &#x017F;o wohlbekannt, ich hatte die&#x017F;e<lb/>
&#x017F;eidnen, &#x017F;chaurigen, verblutenden To&#x0364;ne &#x017F;chon fru&#x0364;her<lb/>
geho&#x0364;rt, &#x017F;ie um&#x017F;trickten mich wie weiche flehende<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0160] Als ich an den roͤmiſchen Triumphbogen kam, huſchte eben ein ſchwarzer Moͤnch hindurch, und fernher erſcholl ein deutſch brummendes Werda? Gut Freund! greinte ein vergnuͤgter Diſkant. Welchem Weibe aber gehoͤrte die Stimme, die mir ſo ſuͤß unheimlich in die Seele drang, als ich uͤber die Scala Mazzati ſtieg? Es war Ge¬ ſang wie aus der Bruſt einer ſterbenden Nachti¬ gall, todtzaͤrtlich, und wie Huͤlferufend an den ſteinernen Haͤuſern wiederhallend. Auf dieſer Stelle hat Antonio della Scala ſeinen Bruder Bartholomeo umgebracht, als dieſer eben zur Geliebten gehen wollte. Mein Herz ſagte mir, ſie ſaͤße noch immer in ihrer Kammer, und er¬ warte den Geliebten, und ſaͤnge nur, um ihre ahnende Angſt zu uͤberſtimmen. Aber bald ſchienen mir Lied und Stimme ſo wohlbekannt, ich hatte dieſe ſeidnen, ſchaurigen, verblutenden Toͤne ſchon fruͤher gehoͤrt, ſie umſtrickten mich wie weiche flehende

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/160
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/160>, abgerufen am 21.11.2024.