Der Aufseher der Gallerie meinte zwar, das Bild stelle eine Herzogin von Genua vor, und im ciceronischen Tone setzte er hinzu: es ist ge¬ malt von Giorgio Barbarelli da Castelfranco nel Trevigiano, genannt Giorgione, er war einer der größten Maler der venezianischen Schule, wurde geboren im Jahr 1477 und starb im Jahr 1511.
Lassen Sie das gut seyn, Signor Cusdode. Das Bild ist gut getroffen, mag es immerhin ein Paar Jahrhunderte im voraus gemalt seyn, das ist kein Fehler. Zeichnung richtig, Farbenge¬ bung vorzüglich, Faltenwurf des Brustgewandes ganz vortrefflich. Haben Sie doch die Güte, das Bild für einige Augenblicke von der Wand herabzu¬ nehmen, ich will nur den Staub von den Lippen abblasen und auch die Spinne, die in der Ecke des Rahmens sitzt, fortscheuchen -- Maria hatte immer einen Abscheu vor Spinnen.
Excellenza scheinen ein Kenner zu seyn.
Der Aufſeher der Gallerie meinte zwar, das Bild ſtelle eine Herzogin von Genua vor, und im ciceroniſchen Tone ſetzte er hinzu: es iſt ge¬ malt von Giorgio Barbarelli da Caſtelfranco nel Trevigiano, genannt Giorgione, er war einer der groͤßten Maler der venezianiſchen Schule, wurde geboren im Jahr 1477 und ſtarb im Jahr 1511.
Laſſen Sie das gut ſeyn, Signor Cusdode. Das Bild iſt gut getroffen, mag es immerhin ein Paar Jahrhunderte im voraus gemalt ſeyn, das iſt kein Fehler. Zeichnung richtig, Farbenge¬ bung vorzuͤglich, Faltenwurf des Bruſtgewandes ganz vortrefflich. Haben Sie doch die Guͤte, das Bild fuͤr einige Augenblicke von der Wand herabzu¬ nehmen, ich will nur den Staub von den Lippen abblaſen und auch die Spinne, die in der Ecke des Rahmens ſitzt, fortſcheuchen — Maria hatte immer einen Abſcheu vor Spinnen.
Excellenza ſcheinen ein Kenner zu ſeyn.
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Der Aufſeher der Gallerie meinte zwar, das
Bild ſtelle eine Herzogin von Genua vor, und
im ciceroniſchen Tone ſetzte er hinzu: es iſt ge¬
malt von Giorgio Barbarelli da Caſtelfranco nel
Trevigiano, genannt Giorgione, er war einer der
groͤßten Maler der venezianiſchen Schule, wurde
geboren im Jahr 1477 und ſtarb im Jahr 1511.
Laſſen Sie das gut ſeyn, Signor Cusdode.
Das Bild iſt gut getroffen, mag es immerhin
ein Paar Jahrhunderte im voraus gemalt ſeyn,
das iſt kein Fehler. Zeichnung richtig, Farbenge¬
bung vorzuͤglich, Faltenwurf des Bruſtgewandes
ganz vortrefflich. Haben Sie doch die Guͤte, das
Bild fuͤr einige Augenblicke von der Wand herabzu¬
nehmen, ich will nur den Staub von den Lippen
abblaſen und auch die Spinne, die in der Ecke
des Rahmens ſitzt, fortſcheuchen — Maria hatte
immer einen Abſcheu vor Spinnen.
Excellenza ſcheinen ein Kenner zu ſeyn.
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/220>, abgerufen am 24.11.2024.
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