Sie mich morden? Fort, fort mit dem schrecklichen Anblick! Dabey gebehrdete sie sich, als wolle man sie umbringen, hielt sich die Hände vor die Augen, rannte unsinnig im Zimmer umher, verwünschte Gumpelinos Nase und Tulpe, klin¬ gelte, stampfte den Boden, schlug den Hund mit der Reitgerte, daß er laut aufbellte, und als John hereintrat, rief sie, wie Kean als König Richard:
Ein Pferd! ein Pferd! Ein Königthum für ein Pferd!
und stürmte, wie ein Wirbelwind, von dannen.
Eine kuriose Frau! sprach Gumpelino, vor Erstaunen bewegungslos und noch immer die Tulpe in der Hand haltend, so daß er einem jener Götzenbilder glich, die mit Lotosblumen in den Händen, auf altindischen Denkmälern zu schauen sind. Ich aber kannte die Dame und ihre Idio¬ synkrasie weit besser, mich ergötzte dieses Schau¬
Sie mich morden? Fort, fort mit dem ſchrecklichen Anblick! Dabey gebehrdete ſie ſich, als wolle man ſie umbringen, hielt ſich die Haͤnde vor die Augen, rannte unſinnig im Zimmer umher, verwuͤnſchte Gumpelinos Naſe und Tulpe, klin¬ gelte, ſtampfte den Boden, ſchlug den Hund mit der Reitgerte, daß er laut aufbellte, und als John hereintrat, rief ſie, wie Kean als Koͤnig Richard:
Ein Pferd! ein Pferd! Ein Koͤnigthum fuͤr ein Pferd!
und ſtuͤrmte, wie ein Wirbelwind, von dannen.
Eine kurioſe Frau! ſprach Gumpelino, vor Erſtaunen bewegungslos und noch immer die Tulpe in der Hand haltend, ſo daß er einem jener Goͤtzenbilder glich, die mit Lotosblumen in den Haͤnden, auf altindiſchen Denkmaͤlern zu ſchauen ſind. Ich aber kannte die Dame und ihre Idio¬ ſynkraſie weit beſſer, mich ergoͤtzte dieſes Schau¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0240"n="232"/>
Sie mich morden? Fort, fort mit dem ſchrecklichen<lb/>
Anblick! Dabey gebehrdete ſie ſich, als wolle<lb/>
man ſie umbringen, hielt ſich die Haͤnde vor die<lb/>
Augen, rannte unſinnig im Zimmer umher,<lb/>
verwuͤnſchte Gumpelinos Naſe und Tulpe, klin¬<lb/>
gelte, ſtampfte den Boden, ſchlug den Hund mit<lb/>
der Reitgerte, daß er laut aufbellte, und als<lb/>
John hereintrat, rief ſie, wie Kean als Koͤnig<lb/>
Richard:<lb/><lg><l>Ein Pferd! ein Pferd!</l><lb/><l>Ein Koͤnigthum fuͤr ein Pferd!</l></lg><lb/>
und ſtuͤrmte, wie ein Wirbelwind, von dannen.</p><lb/><p>Eine kurioſe Frau! ſprach Gumpelino, vor<lb/>
Erſtaunen bewegungslos und noch immer die<lb/>
Tulpe in der Hand haltend, ſo daß er einem jener<lb/>
Goͤtzenbilder glich, die mit Lotosblumen in den<lb/>
Haͤnden, auf altindiſchen Denkmaͤlern zu ſchauen<lb/>ſind. Ich aber kannte die Dame und ihre Idio¬<lb/>ſynkraſie weit beſſer, mich ergoͤtzte dieſes Schau¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[232/0240]
Sie mich morden? Fort, fort mit dem ſchrecklichen
Anblick! Dabey gebehrdete ſie ſich, als wolle
man ſie umbringen, hielt ſich die Haͤnde vor die
Augen, rannte unſinnig im Zimmer umher,
verwuͤnſchte Gumpelinos Naſe und Tulpe, klin¬
gelte, ſtampfte den Boden, ſchlug den Hund mit
der Reitgerte, daß er laut aufbellte, und als
John hereintrat, rief ſie, wie Kean als Koͤnig
Richard:
Ein Pferd! ein Pferd!
Ein Koͤnigthum fuͤr ein Pferd!
und ſtuͤrmte, wie ein Wirbelwind, von dannen.
Eine kurioſe Frau! ſprach Gumpelino, vor
Erſtaunen bewegungslos und noch immer die
Tulpe in der Hand haltend, ſo daß er einem jener
Goͤtzenbilder glich, die mit Lotosblumen in den
Haͤnden, auf altindiſchen Denkmaͤlern zu ſchauen
ſind. Ich aber kannte die Dame und ihre Idio¬
ſynkraſie weit beſſer, mich ergoͤtzte dieſes Schau¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/240>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.