weiß, Sie sehen gern schmachtend blaß aus, und wenn Sie schmachtend blaß aussehen, sieht man Sie gern.
Obgleich Hyazinth solchermaßen zuredete, und schon das Pulver bereitete, hätte das doch wenig gefruchtet, wenn nicht dem Markese plötzlich die Stelle, wo Julia den verhängnißvollen Trank einnimmt, in den Sinn gekommen wäre. Was halten Sie Doktor -- rief er -- von der Müller in Wien? Ich habe sie als Julia gesehen, und Gott! Gott! wie spielt sie! Ich bin doch der größte Enthusiast für die Crelinger, aber die Müller, als sie den Becher austrank, hat mich hingerissen. Sehen Sie -- sprach er, indem er mit tragischer Geberde das Glas, worin Hya¬ zinth das Pulver geschüttet, zur Hand nahm -- sehen Sie, so hielt sie den Becher und schauderte, daß man Alles mitfühlte wenn sie sagte:
Kalt rieselt matter Schau'r durch meine Adern, Der fast die Lebenswärm' erstarren macht!
weiß, Sie ſehen gern ſchmachtend blaß aus, und wenn Sie ſchmachtend blaß ausſehen, ſieht man Sie gern.
Obgleich Hyazinth ſolchermaßen zuredete, und ſchon das Pulver bereitete, haͤtte das doch wenig gefruchtet, wenn nicht dem Markeſe ploͤtzlich die Stelle, wo Julia den verhaͤngnißvollen Trank einnimmt, in den Sinn gekommen waͤre. Was halten Sie Doktor — rief er — von der Muͤller in Wien? Ich habe ſie als Julia geſehen, und Gott! Gott! wie ſpielt ſie! Ich bin doch der groͤßte Enthuſiaſt fuͤr die Crelinger, aber die Muͤller, als ſie den Becher austrank, hat mich hingeriſſen. Sehen Sie — ſprach er, indem er mit tragiſcher Geberde das Glas, worin Hya¬ zinth das Pulver geſchuͤttet, zur Hand nahm — ſehen Sie, ſo hielt ſie den Becher und ſchauderte, daß man Alles mitfuͤhlte wenn ſie ſagte:
Kalt rieſelt matter Schau'r durch meine Adern, Der faſt die Lebenswaͤrm' erſtarren macht!
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0334"n="326"/>
weiß, Sie ſehen gern ſchmachtend blaß aus,<lb/>
und wenn Sie ſchmachtend blaß ausſehen, ſieht<lb/>
man Sie gern.</p><lb/><p>Obgleich Hyazinth ſolchermaßen zuredete, und<lb/>ſchon das Pulver bereitete, haͤtte das doch wenig<lb/>
gefruchtet, wenn nicht dem Markeſe ploͤtzlich die<lb/>
Stelle, wo Julia den verhaͤngnißvollen Trank<lb/>
einnimmt, in den Sinn gekommen waͤre. Was<lb/>
halten Sie Doktor — rief er — von der Muͤller<lb/>
in Wien? Ich habe ſie als Julia geſehen, und<lb/>
Gott! Gott! wie ſpielt ſie! Ich bin doch der<lb/>
groͤßte Enthuſiaſt fuͤr die Crelinger, aber die<lb/>
Muͤller, als ſie den Becher austrank, hat mich<lb/>
hingeriſſen. Sehen Sie —ſprach er, indem er<lb/>
mit tragiſcher Geberde das Glas, worin Hya¬<lb/>
zinth das Pulver geſchuͤttet, zur Hand nahm —<lb/>ſehen Sie, ſo hielt ſie den Becher und ſchauderte,<lb/>
daß man Alles mitfuͤhlte wenn ſie ſagte:</p><lb/><quote><p>Kalt rieſelt matter Schau'r durch meine Adern,<lb/>
Der faſt die Lebenswaͤrm' erſtarren macht!</p></quote><lb/></div></div></body></text></TEI>
[326/0334]
weiß, Sie ſehen gern ſchmachtend blaß aus,
und wenn Sie ſchmachtend blaß ausſehen, ſieht
man Sie gern.
Obgleich Hyazinth ſolchermaßen zuredete, und
ſchon das Pulver bereitete, haͤtte das doch wenig
gefruchtet, wenn nicht dem Markeſe ploͤtzlich die
Stelle, wo Julia den verhaͤngnißvollen Trank
einnimmt, in den Sinn gekommen waͤre. Was
halten Sie Doktor — rief er — von der Muͤller
in Wien? Ich habe ſie als Julia geſehen, und
Gott! Gott! wie ſpielt ſie! Ich bin doch der
groͤßte Enthuſiaſt fuͤr die Crelinger, aber die
Muͤller, als ſie den Becher austrank, hat mich
hingeriſſen. Sehen Sie — ſprach er, indem er
mit tragiſcher Geberde das Glas, worin Hya¬
zinth das Pulver geſchuͤttet, zur Hand nahm —
ſehen Sie, ſo hielt ſie den Becher und ſchauderte,
daß man Alles mitfuͤhlte wenn ſie ſagte:
Kalt rieſelt matter Schau'r durch meine Adern,
Der faſt die Lebenswaͤrm' erſtarren macht!
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/334>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.