Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830.

Bild:
<< vorherige Seite

Niemanden gesehen, der einem Jesuiten glich, es
sey denn jener dicke Mann mit geistlich drey¬
eckigem Hut und pfäffisch geschnittenem, schwar¬
zen Rock, der alt und abgetragen war, und mit
den glänzend neuen schwarzen Hosen gar auf¬
fallend kontrastirte.

Das kann auch kein Jesuit seyn, sprach ich
endlich zu mir selber; denn ich habe mir immer
die Jesuiten etwas mager gedacht. Ob es wirk¬
lich noch Jesuiten giebt? Manchmal will es
mich bedünken, als sey ihre Existenz nur eine
Chimäre, als spuke nur die Angst vor ihnen noch
in unseren Köpfen, nachdem längst die Gefahr
vorüber, und alles Eifern gegen Jesuiten mahnt
mich dann an Leute, die, wenn es längst aufge¬
hört hat zu regnen, noch immer mit aufgespann¬
ten Regenschirmen umhergehen. Ja, mich dünkt
zuweilen, der Teufel, der Adel und die Jesuiten
existiren nur so lange als man an sie glaubt.

Niemanden geſehen, der einem Jeſuiten glich, es
ſey denn jener dicke Mann mit geiſtlich drey¬
eckigem Hut und pfaͤffiſch geſchnittenem, ſchwar¬
zen Rock, der alt und abgetragen war, und mit
den glaͤnzend neuen ſchwarzen Hoſen gar auf¬
fallend kontraſtirte.

Das kann auch kein Jeſuit ſeyn, ſprach ich
endlich zu mir ſelber; denn ich habe mir immer
die Jeſuiten etwas mager gedacht. Ob es wirk¬
lich noch Jeſuiten giebt? Manchmal will es
mich beduͤnken, als ſey ihre Exiſtenz nur eine
Chimaͤre, als ſpuke nur die Angſt vor ihnen noch
in unſeren Koͤpfen, nachdem laͤngſt die Gefahr
voruͤber, und alles Eifern gegen Jeſuiten mahnt
mich dann an Leute, die, wenn es laͤngſt aufge¬
hoͤrt hat zu regnen, noch immer mit aufgeſpann¬
ten Regenſchirmen umhergehen. Ja, mich duͤnkt
zuweilen, der Teufel, der Adel und die Jeſuiten
exiſtiren nur ſo lange als man an ſie glaubt.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0066" n="58"/>
Niemanden ge&#x017F;ehen, der einem Je&#x017F;uiten glich, es<lb/>
&#x017F;ey denn jener dicke Mann mit gei&#x017F;tlich drey¬<lb/>
eckigem Hut und pfa&#x0364;ffi&#x017F;ch ge&#x017F;chnittenem, &#x017F;chwar¬<lb/>
zen Rock, der alt und abgetragen war, und mit<lb/>
den gla&#x0364;nzend neuen &#x017F;chwarzen Ho&#x017F;en gar auf¬<lb/>
fallend kontra&#x017F;tirte.</p><lb/>
          <p>Das kann auch kein Je&#x017F;uit &#x017F;eyn, &#x017F;prach ich<lb/>
endlich zu mir &#x017F;elber; denn ich habe mir immer<lb/>
die Je&#x017F;uiten etwas mager gedacht. Ob es wirk¬<lb/>
lich noch Je&#x017F;uiten giebt? Manchmal will es<lb/>
mich bedu&#x0364;nken, als &#x017F;ey ihre Exi&#x017F;tenz nur eine<lb/>
Chima&#x0364;re, als &#x017F;puke nur die Ang&#x017F;t vor ihnen noch<lb/>
in un&#x017F;eren Ko&#x0364;pfen, nachdem la&#x0364;ng&#x017F;t die Gefahr<lb/>
voru&#x0364;ber, und alles Eifern gegen Je&#x017F;uiten mahnt<lb/>
mich dann an Leute, die, wenn es la&#x0364;ng&#x017F;t aufge¬<lb/>
ho&#x0364;rt hat zu regnen, noch immer mit aufge&#x017F;pann¬<lb/>
ten Regen&#x017F;chirmen umhergehen. Ja, mich du&#x0364;nkt<lb/>
zuweilen, der Teufel, der Adel und die Je&#x017F;uiten<lb/>
exi&#x017F;tiren nur &#x017F;o lange als man an &#x017F;ie glaubt.<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0066] Niemanden geſehen, der einem Jeſuiten glich, es ſey denn jener dicke Mann mit geiſtlich drey¬ eckigem Hut und pfaͤffiſch geſchnittenem, ſchwar¬ zen Rock, der alt und abgetragen war, und mit den glaͤnzend neuen ſchwarzen Hoſen gar auf¬ fallend kontraſtirte. Das kann auch kein Jeſuit ſeyn, ſprach ich endlich zu mir ſelber; denn ich habe mir immer die Jeſuiten etwas mager gedacht. Ob es wirk¬ lich noch Jeſuiten giebt? Manchmal will es mich beduͤnken, als ſey ihre Exiſtenz nur eine Chimaͤre, als ſpuke nur die Angſt vor ihnen noch in unſeren Koͤpfen, nachdem laͤngſt die Gefahr voruͤber, und alles Eifern gegen Jeſuiten mahnt mich dann an Leute, die, wenn es laͤngſt aufge¬ hoͤrt hat zu regnen, noch immer mit aufgeſpann¬ ten Regenſchirmen umhergehen. Ja, mich duͤnkt zuweilen, der Teufel, der Adel und die Jeſuiten exiſtiren nur ſo lange als man an ſie glaubt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/66
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Bd. 3. Hamburg, 1830, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder03_1830/66>, abgerufen am 24.11.2024.