bald die politische Gleichheit der Gottesdienste, so zu sagen die Gewerbefreyheit der Götter eingeführt wird.
Die edelsten Menschen in Europa haben es längst ausgesprochen, daß dieses das einzige Mittel ist, die Religion vor gänzlichem Untergang zu be¬ wahren; doch die Diener derselben werden eher den Altar selbst aufopfern, als daß sie von dem was darauf geopfert wird, das Mindeste verlieren möch¬ ten; eben so wie der Adel eher den Thron selbst und Hochdenjenigen, der hochdarauf sitzt, dem sicher¬ sten Verderben überlassen würde, als daß er mit ernstlichem Willen die ungerechteste seiner Gerecht¬ same aufgäbe. Ist doch das affektirte Interesse für Thron und Altar nur ein Possenspiel, das dem Volke vorgegaukelt wird! Wer das Zunftgeheimniß belauert hat, weiß, daß die Pfaffen viel weniger als die Layen den Gott respektiren, den sie zu ih¬ rem eignen Nutzen, nach Willkühr, aus Brod und Wort zu kneten wissen, und daß die Adligen viel
bald die politiſche Gleichheit der Gottesdienſte, ſo zu ſagen die Gewerbefreyheit der Goͤtter eingefuͤhrt wird.
Die edelſten Menſchen in Europa haben es laͤngſt ausgeſprochen, daß dieſes das einzige Mittel iſt, die Religion vor gaͤnzlichem Untergang zu be¬ wahren; doch die Diener derſelben werden eher den Altar ſelbſt aufopfern, als daß ſie von dem was darauf geopfert wird, das Mindeſte verlieren moͤch¬ ten; eben ſo wie der Adel eher den Thron ſelbſt und Hochdenjenigen, der hochdarauf ſitzt, dem ſicher¬ ſten Verderben uͤberlaſſen wuͤrde, als daß er mit ernſtlichem Willen die ungerechteſte ſeiner Gerecht¬ ſame aufgaͤbe. Iſt doch das affektirte Intereſſe fuͤr Thron und Altar nur ein Poſſenſpiel, das dem Volke vorgegaukelt wird! Wer das Zunftgeheimniß belauert hat, weiß, daß die Pfaffen viel weniger als die Layen den Gott reſpektiren, den ſie zu ih¬ rem eignen Nutzen, nach Willkuͤhr, aus Brod und Wort zu kneten wiſſen, und daß die Adligen viel
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bald die politiſche Gleichheit der Gottesdienſte, ſo
zu ſagen die Gewerbefreyheit der Goͤtter eingefuͤhrt
wird.
Die edelſten Menſchen in Europa haben es
laͤngſt ausgeſprochen, daß dieſes das einzige Mittel
iſt, die Religion vor gaͤnzlichem Untergang zu be¬
wahren; doch die Diener derſelben werden eher den
Altar ſelbſt aufopfern, als daß ſie von dem was
darauf geopfert wird, das Mindeſte verlieren moͤch¬
ten; eben ſo wie der Adel eher den Thron ſelbſt
und Hochdenjenigen, der hochdarauf ſitzt, dem ſicher¬
ſten Verderben uͤberlaſſen wuͤrde, als daß er mit
ernſtlichem Willen die ungerechteſte ſeiner Gerecht¬
ſame aufgaͤbe. Iſt doch das affektirte Intereſſe fuͤr
Thron und Altar nur ein Poſſenſpiel, das dem
Volke vorgegaukelt wird! Wer das Zunftgeheimniß
belauert hat, weiß, daß die Pfaffen viel weniger
als die Layen den Gott reſpektiren, den ſie zu ih¬
rem eignen Nutzen, nach Willkuͤhr, aus Brod und
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/125>, abgerufen am 21.11.2024.
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