man in diesem Theile der Stadt große Squares: Reihen von Häusern gleich den obenbeschriebenen, die ein Viereck bilden, in dessen Mitte ein von schwarzem Eisengitter verschlossener Garten mit irgend einer Statue befindlich ist. Auf allen die¬ sen Plätzen und Straßen wird das Auge des Fremden nirgends beleidigt von baufälligen Hütten des Elends. Ueberall starrt Reichthum und Vor¬ nehmheit, und hineingedrängt in abgelegene Gä߬ chen und dunkle, feuchte Gänge wohnt die Armuth mit ihren Lumpen und ihren Thränen.
Der fremde, der die großen Straßen Londons durchwandert und nicht just in die eigentlichen Pöbelquartiere geräth, sieht daher Nichts oder sehr Wenig von dem vielen Elend, das in Lon¬ don vorhanden ist. Nur hie und da, am Ein¬ gange eines dunklen Gäßchens, steht schweigend ein zerfetztes Weib, mit einem Säugling an der abgehärmten Brust, und bettelt mit den Augen. Vielleicht wenn diese Augen noch schön sind, schaut
man in dieſem Theile der Stadt große Squares: Reihen von Haͤuſern gleich den obenbeſchriebenen, die ein Viereck bilden, in deſſen Mitte ein von ſchwarzem Eiſengitter verſchloſſener Garten mit irgend einer Statue befindlich iſt. Auf allen die¬ ſen Plaͤtzen und Straßen wird das Auge des Fremden nirgends beleidigt von baufaͤlligen Huͤtten des Elends. Ueberall ſtarrt Reichthum und Vor¬ nehmheit, und hineingedraͤngt in abgelegene Gaͤ߬ chen und dunkle, feuchte Gaͤnge wohnt die Armuth mit ihren Lumpen und ihren Thraͤnen.
Der fremde, der die großen Straßen Londons durchwandert und nicht juſt in die eigentlichen Poͤbelquartiere geraͤth, ſieht daher Nichts oder ſehr Wenig von dem vielen Elend, das in Lon¬ don vorhanden iſt. Nur hie und da, am Ein¬ gange eines dunklen Gaͤßchens, ſteht ſchweigend ein zerfetztes Weib, mit einem Saͤugling an der abgehaͤrmten Bruſt, und bettelt mit den Augen. Vielleicht wenn dieſe Augen noch ſchoͤn ſind, ſchaut
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man in dieſem Theile der Stadt große Squares:
Reihen von Haͤuſern gleich den obenbeſchriebenen,
die ein Viereck bilden, in deſſen Mitte ein von
ſchwarzem Eiſengitter verſchloſſener Garten mit
irgend einer Statue befindlich iſt. Auf allen die¬
ſen Plaͤtzen und Straßen wird das Auge des
Fremden nirgends beleidigt von baufaͤlligen Huͤtten
des Elends. Ueberall ſtarrt Reichthum und Vor¬
nehmheit, und hineingedraͤngt in abgelegene Gaͤ߬
chen und dunkle, feuchte Gaͤnge wohnt die Armuth
mit ihren Lumpen und ihren Thraͤnen.
Der fremde, der die großen Straßen Londons
durchwandert und nicht juſt in die eigentlichen
Poͤbelquartiere geraͤth, ſieht daher Nichts oder
ſehr Wenig von dem vielen Elend, das in Lon¬
don vorhanden iſt. Nur hie und da, am Ein¬
gange eines dunklen Gaͤßchens, ſteht ſchweigend
ein zerfetztes Weib, mit einem Saͤugling an der
abgehaͤrmten Bruſt, und bettelt mit den Augen.
Vielleicht wenn dieſe Augen noch ſchoͤn ſind, ſchaut
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/179>, abgerufen am 24.11.2024.
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