Nur der Schluß des Mährchens von St. Helena ist anders, der Kaiser stirbt an einem Magenkrebs, und Walter Scott versichert uns, das sey die alleinige Ursache seines Todes. Darin will ich ihm auch nicht widersprechen. Die Sache ist nicht unmöglich. Es ist möglich, daß ein Mann, der auf der Folterbank gespannt liegt, plötzlich ganz natürlich an einem Schlagfluß stirbt. Aber die böse Welt wird sagen: die Folterknechte haben ihn hingerichtet. Die böse Welt hat sich nun einmal vorgenommen, die Sache ganz anders zu betrachten, wie der gute Walter Scott. Wenn dieser gute Mann, der sonst so bibelfest ist, und gern das Evangelium citirt, in jenem Aufruhr der Elemente, in jenem Orcane, der beym Tode Na¬ poleons ausbrach, nichts anders sieht als ein Er¬ eigniß, daß auch beym Tode Cromwells statt fand: so hat doch die Welt darüber ihre eigenen Gedan¬ ken. Sie betrachtet den Tod Napoleons als die entsetzlichste Unthat, losbrechendes Schmerzgefühl
Nur der Schluß des Maͤhrchens von St. Helena iſt anders, der Kaiſer ſtirbt an einem Magenkrebs, und Walter Scott verſichert uns, das ſey die alleinige Urſache ſeines Todes. Darin will ich ihm auch nicht widerſprechen. Die Sache iſt nicht unmoͤglich. Es iſt moͤglich, daß ein Mann, der auf der Folterbank geſpannt liegt, ploͤtzlich ganz natuͤrlich an einem Schlagfluß ſtirbt. Aber die boͤſe Welt wird ſagen: die Folterknechte haben ihn hingerichtet. Die boͤſe Welt hat ſich nun einmal vorgenommen, die Sache ganz anders zu betrachten, wie der gute Walter Scott. Wenn dieſer gute Mann, der ſonſt ſo bibelfeſt iſt, und gern das Evangelium citirt, in jenem Aufruhr der Elemente, in jenem Orcane, der beym Tode Na¬ poleons ausbrach, nichts anders ſieht als ein Er¬ eigniß, daß auch beym Tode Cromwells ſtatt fand: ſo hat doch die Welt daruͤber ihre eigenen Gedan¬ ken. Sie betrachtet den Tod Napoleons als die entſetzlichſte Unthat, losbrechendes Schmerzgefuͤhl
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0210"n="196"/><p>Nur der Schluß des Maͤhrchens von St.<lb/>
Helena iſt anders, der Kaiſer ſtirbt an einem<lb/>
Magenkrebs, und Walter Scott verſichert uns,<lb/>
das ſey die alleinige Urſache ſeines Todes. Darin<lb/>
will ich ihm auch nicht widerſprechen. Die Sache<lb/>
iſt nicht unmoͤglich. Es iſt moͤglich, daß ein<lb/>
Mann, der auf der Folterbank geſpannt liegt,<lb/>
ploͤtzlich ganz natuͤrlich an einem Schlagfluß ſtirbt.<lb/>
Aber die boͤſe Welt wird ſagen: die Folterknechte<lb/>
haben ihn hingerichtet. Die boͤſe Welt hat ſich<lb/>
nun einmal vorgenommen, die Sache ganz anders<lb/>
zu betrachten, wie der gute Walter Scott. Wenn<lb/>
dieſer gute Mann, der ſonſt ſo bibelfeſt iſt, und<lb/>
gern das Evangelium citirt, in jenem Aufruhr der<lb/>
Elemente, in jenem Orcane, der beym Tode Na¬<lb/>
poleons ausbrach, nichts anders ſieht als ein Er¬<lb/>
eigniß, daß auch beym Tode Cromwells ſtatt fand:<lb/>ſo hat doch die Welt daruͤber ihre eigenen Gedan¬<lb/>
ken. Sie betrachtet den Tod Napoleons als die<lb/>
entſetzlichſte Unthat, losbrechendes Schmerzgefuͤhl<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[196/0210]
Nur der Schluß des Maͤhrchens von St.
Helena iſt anders, der Kaiſer ſtirbt an einem
Magenkrebs, und Walter Scott verſichert uns,
das ſey die alleinige Urſache ſeines Todes. Darin
will ich ihm auch nicht widerſprechen. Die Sache
iſt nicht unmoͤglich. Es iſt moͤglich, daß ein
Mann, der auf der Folterbank geſpannt liegt,
ploͤtzlich ganz natuͤrlich an einem Schlagfluß ſtirbt.
Aber die boͤſe Welt wird ſagen: die Folterknechte
haben ihn hingerichtet. Die boͤſe Welt hat ſich
nun einmal vorgenommen, die Sache ganz anders
zu betrachten, wie der gute Walter Scott. Wenn
dieſer gute Mann, der ſonſt ſo bibelfeſt iſt, und
gern das Evangelium citirt, in jenem Aufruhr der
Elemente, in jenem Orcane, der beym Tode Na¬
poleons ausbrach, nichts anders ſieht als ein Er¬
eigniß, daß auch beym Tode Cromwells ſtatt fand:
ſo hat doch die Welt daruͤber ihre eigenen Gedan¬
ken. Sie betrachtet den Tod Napoleons als die
entſetzlichſte Unthat, losbrechendes Schmerzgefuͤhl
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 196. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/210>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.