Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831.

Bild:
<< vorherige Seite

nach, und rufen: ich gebe Dir ein Sixpens, wenn
Du mir mein Zahnweh abnimmst, wir geben Dir
einen Schilling, wenn Du Gottfriedchens Buckel
nehmen willst" -- "Kurios!" fiel ihr die dicke
Dame in die Rede, "es ist doch kurios, daß der
schwarze William und der Thomson früherhin
die besten Spießgesellen gewesen sind, und zusam¬
men gewohnt und gegessen und getrunken haben,
und jetzt Edward Thomson seinen alten Freund
der Fälschung anklagt! Warum ist aber die Schwe¬
ster von Thomson nicht hier, da sie doch sonst
ihrem süßen William überall nachgelaufen?" Ein
junges schönes Frauenzimmer, über dessen holdem
Gesichte eine dunkle Betrübniß verbreitet lag, wie
ein schwarzer Flor über einem blühenden Rosen¬
strauch, flüsterte jetzt eine ganz lange, verweinte
Geschichte, wovon ich nur so viel verstand, daß
ihre Freundinn, die schöne Mary, von ihrem Bru¬
der gar bitterlich geschlagen worden und todtkrank
zu Bette liege. "Nennt sie doch nicht die schöne

nach, und rufen: ich gebe Dir ein Sixpens, wenn
Du mir mein Zahnweh abnimmſt, wir geben Dir
einen Schilling, wenn Du Gottfriedchens Buckel
nehmen willſt“ — „Kurios!“ fiel ihr die dicke
Dame in die Rede, „es iſt doch kurios, daß der
ſchwarze William und der Thomſon fruͤherhin
die beſten Spießgeſellen geweſen ſind, und zuſam¬
men gewohnt und gegeſſen und getrunken haben,
und jetzt Edward Thomſon ſeinen alten Freund
der Faͤlſchung anklagt! Warum iſt aber die Schwe¬
ſter von Thomſon nicht hier, da ſie doch ſonſt
ihrem ſuͤßen William uͤberall nachgelaufen?“ Ein
junges ſchoͤnes Frauenzimmer, uͤber deſſen holdem
Geſichte eine dunkle Betruͤbniß verbreitet lag, wie
ein ſchwarzer Flor uͤber einem bluͤhenden Roſen¬
ſtrauch, fluͤſterte jetzt eine ganz lange, verweinte
Geſchichte, wovon ich nur ſo viel verſtand, daß
ihre Freundinn, die ſchoͤne Mary, von ihrem Bru¬
der gar bitterlich geſchlagen worden und todtkrank
zu Bette liege. „Nennt ſie doch nicht die ſchoͤne

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0219" n="205"/>
nach, und rufen: ich gebe Dir ein Sixpens, wenn<lb/>
Du mir mein Zahnweh abnimm&#x017F;t, wir geben Dir<lb/>
einen Schilling, wenn Du Gottfriedchens Buckel<lb/>
nehmen will&#x017F;t&#x201C; &#x2014; &#x201E;Kurios!&#x201C; fiel ihr die dicke<lb/>
Dame in die Rede, &#x201E;es i&#x017F;t doch kurios, daß der<lb/>
&#x017F;chwarze William und der Thom&#x017F;on fru&#x0364;herhin<lb/>
die be&#x017F;ten Spießge&#x017F;ellen gewe&#x017F;en &#x017F;ind, und zu&#x017F;am¬<lb/>
men gewohnt und gege&#x017F;&#x017F;en und getrunken haben,<lb/>
und jetzt Edward Thom&#x017F;on &#x017F;einen alten Freund<lb/>
der Fa&#x0364;l&#x017F;chung anklagt! Warum i&#x017F;t aber die Schwe¬<lb/>
&#x017F;ter von Thom&#x017F;on nicht hier, da &#x017F;ie doch &#x017F;on&#x017F;t<lb/>
ihrem &#x017F;u&#x0364;ßen William u&#x0364;berall nachgelaufen?&#x201C; Ein<lb/>
junges &#x017F;cho&#x0364;nes Frauenzimmer, u&#x0364;ber de&#x017F;&#x017F;en holdem<lb/>
Ge&#x017F;ichte eine dunkle Betru&#x0364;bniß verbreitet lag, wie<lb/>
ein &#x017F;chwarzer Flor u&#x0364;ber einem blu&#x0364;henden Ro&#x017F;en¬<lb/>
&#x017F;trauch, flu&#x0364;&#x017F;terte jetzt eine ganz lange, verweinte<lb/>
Ge&#x017F;chichte, wovon ich nur &#x017F;o viel ver&#x017F;tand, daß<lb/>
ihre Freundinn, die &#x017F;cho&#x0364;ne Mary, von ihrem Bru¬<lb/>
der gar bitterlich ge&#x017F;chlagen worden und todtkrank<lb/>
zu Bette liege. &#x201E;Nennt &#x017F;ie doch nicht die &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0219] nach, und rufen: ich gebe Dir ein Sixpens, wenn Du mir mein Zahnweh abnimmſt, wir geben Dir einen Schilling, wenn Du Gottfriedchens Buckel nehmen willſt“ — „Kurios!“ fiel ihr die dicke Dame in die Rede, „es iſt doch kurios, daß der ſchwarze William und der Thomſon fruͤherhin die beſten Spießgeſellen geweſen ſind, und zuſam¬ men gewohnt und gegeſſen und getrunken haben, und jetzt Edward Thomſon ſeinen alten Freund der Faͤlſchung anklagt! Warum iſt aber die Schwe¬ ſter von Thomſon nicht hier, da ſie doch ſonſt ihrem ſuͤßen William uͤberall nachgelaufen?“ Ein junges ſchoͤnes Frauenzimmer, uͤber deſſen holdem Geſichte eine dunkle Betruͤbniß verbreitet lag, wie ein ſchwarzer Flor uͤber einem bluͤhenden Roſen¬ ſtrauch, fluͤſterte jetzt eine ganz lange, verweinte Geſchichte, wovon ich nur ſo viel verſtand, daß ihre Freundinn, die ſchoͤne Mary, von ihrem Bru¬ der gar bitterlich geſchlagen worden und todtkrank zu Bette liege. „Nennt ſie doch nicht die ſchoͤne

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/219
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/219>, abgerufen am 21.11.2024.