gion, Ehre u. s. w. gehören zwar zu den Vorzü¬ gen des Menschen -- denn die Thiere haben keine Schulden -- aber sie sind auch eine ganz vorzüg¬ liche Qual der Menschheit, und wie sie den Ein¬ zelnen zu Grunde richten, so bringen sie auch ganze Geschlechter ins Verderben, und sie scheinen das alte Fatum zu ersetzen in den Nationaltragö¬ dien unserer Zeit. England kann diesem Fatum nicht entgehen, seine Minister sehen die Schreck¬ nisse herannahen, und sterben mit der Verzweif¬ lung der Ohnmacht.
Wäre ich königlich preußischer Oberlandescalcu¬ lator oder Mitglied des Geniecorps, so würde ich, in gewohnter Weise, die ganze Summe der eng¬ lischen Schuld in Silbergroschen berechnen, und genau angeben, wie vielmal man damit die große Friedrichstraße oder gar den ganzen Erdball bede¬ cken könnte. Aber das Rechnen war nie meine Force, und ich möchte lieber einem Engländer das fatale Geschäft überlassen, seine Schulden aufzuzäh¬
gion, Ehre u. ſ. w. gehoͤren zwar zu den Vorzuͤ¬ gen des Menſchen — denn die Thiere haben keine Schulden — aber ſie ſind auch eine ganz vorzuͤg¬ liche Qual der Menſchheit, und wie ſie den Ein¬ zelnen zu Grunde richten, ſo bringen ſie auch ganze Geſchlechter ins Verderben, und ſie ſcheinen das alte Fatum zu erſetzen in den Nationaltragoͤ¬ dien unſerer Zeit. England kann dieſem Fatum nicht entgehen, ſeine Miniſter ſehen die Schreck¬ niſſe herannahen, und ſterben mit der Verzweif¬ lung der Ohnmacht.
Waͤre ich koͤniglich preußiſcher Oberlandescalcu¬ lator oder Mitglied des Geniecorps, ſo wuͤrde ich, in gewohnter Weiſe, die ganze Summe der eng¬ liſchen Schuld in Silbergroſchen berechnen, und genau angeben, wie vielmal man damit die große Friedrichſtraße oder gar den ganzen Erdball bede¬ cken koͤnnte. Aber das Rechnen war nie meine Force, und ich moͤchte lieber einem Englaͤnder das fatale Geſchaͤft uͤberlaſſen, ſeine Schulden aufzuzaͤh¬
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0234"n="220"/>
gion, Ehre u. ſ. w. gehoͤren zwar zu den Vorzuͤ¬<lb/>
gen des Menſchen — denn die Thiere haben keine<lb/>
Schulden — aber ſie ſind auch eine ganz vorzuͤg¬<lb/>
liche Qual der Menſchheit, und wie ſie den Ein¬<lb/>
zelnen zu Grunde richten, ſo bringen ſie auch<lb/>
ganze Geſchlechter ins Verderben, und ſie ſcheinen<lb/>
das alte Fatum zu erſetzen in den Nationaltragoͤ¬<lb/>
dien unſerer Zeit. England kann dieſem Fatum<lb/>
nicht entgehen, ſeine Miniſter ſehen die Schreck¬<lb/>
niſſe herannahen, und ſterben mit der Verzweif¬<lb/>
lung der Ohnmacht.</p><lb/><p>Waͤre ich koͤniglich preußiſcher Oberlandescalcu¬<lb/>
lator oder Mitglied des Geniecorps, ſo wuͤrde ich,<lb/>
in gewohnter Weiſe, die ganze Summe der eng¬<lb/>
liſchen Schuld in Silbergroſchen berechnen, und<lb/>
genau angeben, wie vielmal man damit die große<lb/>
Friedrichſtraße oder gar den ganzen Erdball bede¬<lb/>
cken koͤnnte. Aber das Rechnen war nie meine<lb/>
Force, und ich moͤchte lieber einem Englaͤnder das<lb/>
fatale Geſchaͤft uͤberlaſſen, ſeine Schulden aufzuzaͤh¬<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[220/0234]
gion, Ehre u. ſ. w. gehoͤren zwar zu den Vorzuͤ¬
gen des Menſchen — denn die Thiere haben keine
Schulden — aber ſie ſind auch eine ganz vorzuͤg¬
liche Qual der Menſchheit, und wie ſie den Ein¬
zelnen zu Grunde richten, ſo bringen ſie auch
ganze Geſchlechter ins Verderben, und ſie ſcheinen
das alte Fatum zu erſetzen in den Nationaltragoͤ¬
dien unſerer Zeit. England kann dieſem Fatum
nicht entgehen, ſeine Miniſter ſehen die Schreck¬
niſſe herannahen, und ſterben mit der Verzweif¬
lung der Ohnmacht.
Waͤre ich koͤniglich preußiſcher Oberlandescalcu¬
lator oder Mitglied des Geniecorps, ſo wuͤrde ich,
in gewohnter Weiſe, die ganze Summe der eng¬
liſchen Schuld in Silbergroſchen berechnen, und
genau angeben, wie vielmal man damit die große
Friedrichſtraße oder gar den ganzen Erdball bede¬
cken koͤnnte. Aber das Rechnen war nie meine
Force, und ich moͤchte lieber einem Englaͤnder das
fatale Geſchaͤft uͤberlaſſen, ſeine Schulden aufzuzaͤh¬
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/234>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.