dort ist längst daran gewöhnt, die geistliche Würde von der unwürdigen Person zu unterscheiden, jene zu ehren, wenn auch diese verächtlich ist. Eben der Contrast, den die idealen Pflichten und An¬ sprüche des geistlichen Standes und die unabweis¬ lichen Bedürfnisse der sinnlichen Natur bilden müs¬ sen, jener uralte, ewige Conflikt zwischen dem Geiste und der Materie, macht die italienischen Pfaffen zu stehenden Charakteren des Volks-Hu¬ mors, in Satyren, Liedern und Novellen. Aehn¬ liche Erscheinungen zeigen sich uns überall, wo ein ähnlicher Priesterstand vorhanden ist, z. B. in Hindostan. In den Komödien dieses urfrommen Landes, wie wir schon in der Sakontala bemerkt und in der neulich übersetzten Vasantasena bestä¬ tigt finden, spielt immer ein Bramine die komische Rolle, so zu sagen den Priestergrazioso, ohne daß dadurch die Ehrfurcht, die man seinen Opferver¬ richtungen und seiner privilegirten Heiligkeit schul¬ dig ist, im mindesten beeinträchtigt wird, -- eben
dort iſt laͤngſt daran gewoͤhnt, die geiſtliche Wuͤrde von der unwuͤrdigen Perſon zu unterſcheiden, jene zu ehren, wenn auch dieſe veraͤchtlich iſt. Eben der Contraſt, den die idealen Pflichten und An¬ ſpruͤche des geiſtlichen Standes und die unabweis¬ lichen Beduͤrfniſſe der ſinnlichen Natur bilden muͤſ¬ ſen, jener uralte, ewige Conflikt zwiſchen dem Geiſte und der Materie, macht die italieniſchen Pfaffen zu ſtehenden Charakteren des Volks-Hu¬ mors, in Satyren, Liedern und Novellen. Aehn¬ liche Erſcheinungen zeigen ſich uns uͤberall, wo ein aͤhnlicher Prieſterſtand vorhanden iſt, z. B. in Hindoſtan. In den Komoͤdien dieſes urfrommen Landes, wie wir ſchon in der Sakontala bemerkt und in der neulich uͤberſetzten Vaſantaſena beſtaͤ¬ tigt finden, ſpielt immer ein Bramine die komiſche Rolle, ſo zu ſagen den Prieſtergrazioſo, ohne daß dadurch die Ehrfurcht, die man ſeinen Opferver¬ richtungen und ſeiner privilegirten Heiligkeit ſchul¬ dig iſt, im mindeſten beeintraͤchtigt wird, — eben
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dort iſt laͤngſt daran gewoͤhnt, die geiſtliche Wuͤrde
von der unwuͤrdigen Perſon zu unterſcheiden, jene
zu ehren, wenn auch dieſe veraͤchtlich iſt. Eben
der Contraſt, den die idealen Pflichten und An¬
ſpruͤche des geiſtlichen Standes und die unabweis¬
lichen Beduͤrfniſſe der ſinnlichen Natur bilden muͤſ¬
ſen, jener uralte, ewige Conflikt zwiſchen dem
Geiſte und der Materie, macht die italieniſchen
Pfaffen zu ſtehenden Charakteren des Volks-Hu¬
mors, in Satyren, Liedern und Novellen. Aehn¬
liche Erſcheinungen zeigen ſich uns uͤberall, wo ein
aͤhnlicher Prieſterſtand vorhanden iſt, z. B. in
Hindoſtan. In den Komoͤdien dieſes urfrommen
Landes, wie wir ſchon in der Sakontala bemerkt
und in der neulich uͤberſetzten Vaſantaſena beſtaͤ¬
tigt finden, ſpielt immer ein Bramine die komiſche
Rolle, ſo zu ſagen den Prieſtergrazioſo, ohne daß
dadurch die Ehrfurcht, die man ſeinen Opferver¬
richtungen und ſeiner privilegirten Heiligkeit ſchul¬
dig iſt, im mindeſten beeintraͤchtigt wird, — eben
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/37>, abgerufen am 21.11.2024.
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