Sie können dir wenig nutzen, lieber Leser, wenn du etwa Lust hättest gegen das katholische Pfaffen¬ thum zu schreiben. Zu diesem Zwecke muß man, wie gesagt, mit eignen Augen die Gesichter sehen, die dazu gehören. Wahrlich, es ist nicht einmal hinreichend, wenn man sie im königlichen Opern¬ hause zu Berlin gesehen hat. Der vorige Gene¬ ralintendant that zwar immer das Seinige, um den Krönungszug in der Jungfrau von Orleans so täuschend treu als möglich darzustellen, seinen Landsleuten die Idee einer Prozession zu veran¬ schaulichen und ihnen Pfaffen von allen Couleuren vor Augen zu bringen. Doch das getreueste Co¬ stume kann nicht die Originalgesichter ersetzen, und vertrödelte man sogar noch extra 100,000 Thaler für goldne Bischofsmützen, festonnirte Chorhemden, buntgestickte Meßgewänder, und ähnlichen Kram -- so würden doch die protestantisch vernünftigen Na¬ sen, die unter jenen Bischofsmützen hervorprotesti¬ ren, die dünnen denkgläubigen Beine, die aus
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Sie koͤnnen dir wenig nutzen, lieber Leſer, wenn du etwa Luſt haͤtteſt gegen das katholiſche Pfaffen¬ thum zu ſchreiben. Zu dieſem Zwecke muß man, wie geſagt, mit eignen Augen die Geſichter ſehen, die dazu gehoͤren. Wahrlich, es iſt nicht einmal hinreichend, wenn man ſie im koͤniglichen Opern¬ hauſe zu Berlin geſehen hat. Der vorige Gene¬ ralintendant that zwar immer das Seinige, um den Kroͤnungszug in der Jungfrau von Orleans ſo taͤuſchend treu als moͤglich darzuſtellen, ſeinen Landsleuten die Idee einer Prozeſſion zu veran¬ ſchaulichen und ihnen Pfaffen von allen Couleuren vor Augen zu bringen. Doch das getreueſte Co¬ ſtume kann nicht die Originalgeſichter erſetzen, und vertroͤdelte man ſogar noch extra 100,000 Thaler fuͤr goldne Biſchofsmuͤtzen, feſtonnirte Chorhemden, buntgeſtickte Meßgewaͤnder, und aͤhnlichen Kram — ſo wuͤrden doch die proteſtantiſch vernuͤnftigen Na¬ ſen, die unter jenen Biſchofsmuͤtzen hervorproteſti¬ ren, die duͤnnen denkglaͤubigen Beine, die aus
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Sie koͤnnen dir wenig nutzen, lieber Leſer, wenn
du etwa Luſt haͤtteſt gegen das katholiſche Pfaffen¬
thum zu ſchreiben. Zu dieſem Zwecke muß man,
wie geſagt, mit eignen Augen die Geſichter ſehen,
die dazu gehoͤren. Wahrlich, es iſt nicht einmal
hinreichend, wenn man ſie im koͤniglichen Opern¬
hauſe zu Berlin geſehen hat. Der vorige Gene¬
ralintendant that zwar immer das Seinige, um
den Kroͤnungszug in der Jungfrau von Orleans
ſo taͤuſchend treu als moͤglich darzuſtellen, ſeinen
Landsleuten die Idee einer Prozeſſion zu veran¬
ſchaulichen und ihnen Pfaffen von allen Couleuren
vor Augen zu bringen. Doch das getreueſte Co¬
ſtume kann nicht die Originalgeſichter erſetzen, und
vertroͤdelte man ſogar noch extra 100,000 Thaler
fuͤr goldne Biſchofsmuͤtzen, feſtonnirte Chorhemden,
buntgeſtickte Meßgewaͤnder, und aͤhnlichen Kram —
ſo wuͤrden doch die proteſtantiſch vernuͤnftigen Na¬
ſen, die unter jenen Biſchofsmuͤtzen hervorproteſti¬
ren, die duͤnnen denkglaͤubigen Beine, die aus
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/39>, abgerufen am 21.11.2024.
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