leuchtete, da schlang Franscheska ihren Arm um meinen Hals, küßte mich, und flüsterte: Cecco, Cecco, caro Cecco!
Ich nahm diese Küsse ruhig in Empfang, ob¬ gleich ich wohl wußte, daß sie im Grunde einem bolognesischen Abbate, einem Diener der römisch katholischen Kirche, zugedacht waren. Als Pro¬ testant machte ich mir kein Gewissen daraus, mir die Güter der katholischen Geistlichkeit zuzueignen, und auf der Stelle säkularisirte ich die frommen Küsse Franscheskas. Ich weiß, die Pfaffen wer¬ den hierüber wüthend seyn, sie schreyen gewiß über Kirchenraub, und würden gern das französi¬ sche Sakrilegiengesetz auf mich anwenden. Leider muß ich gestehen, daß besagte Küsse das einzige waren, was ich in jener Nacht erbeuten konnte. Franscheska hatte beschlossen diese Nacht nur zum Heile ihrer Seele, kniend und betend, zu benutzen. Vergebens erboth ich mich ihre Andachtsübungen zu theilen; -- als sie ihr Zimmer erreichte, schloß
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leuchtete, da ſchlang Franſcheska ihren Arm um meinen Hals, kuͤßte mich, und fluͤſterte: Cecco, Cecco, caro Cecco!
Ich nahm dieſe Kuͤſſe ruhig in Empfang, ob¬ gleich ich wohl wußte, daß ſie im Grunde einem bologneſiſchen Abbate, einem Diener der roͤmiſch katholiſchen Kirche, zugedacht waren. Als Pro¬ teſtant machte ich mir kein Gewiſſen daraus, mir die Guͤter der katholiſchen Geiſtlichkeit zuzueignen, und auf der Stelle ſaͤkulariſirte ich die frommen Kuͤſſe Franſcheskas. Ich weiß, die Pfaffen wer¬ den hieruͤber wuͤthend ſeyn, ſie ſchreyen gewiß uͤber Kirchenraub, und wuͤrden gern das franzoͤſi¬ ſche Sakrilegiengeſetz auf mich anwenden. Leider muß ich geſtehen, daß beſagte Kuͤſſe das einzige waren, was ich in jener Nacht erbeuten konnte. Franſcheska hatte beſchloſſen dieſe Nacht nur zum Heile ihrer Seele, kniend und betend, zu benutzen. Vergebens erboth ich mich ihre Andachtsuͤbungen zu theilen; — als ſie ihr Zimmer erreichte, ſchloß
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leuchtete, da ſchlang Franſcheska ihren Arm um
meinen Hals, kuͤßte mich, und fluͤſterte: Cecco,
Cecco, caro Cecco!
Ich nahm dieſe Kuͤſſe ruhig in Empfang, ob¬
gleich ich wohl wußte, daß ſie im Grunde einem
bologneſiſchen Abbate, einem Diener der roͤmiſch
katholiſchen Kirche, zugedacht waren. Als Pro¬
teſtant machte ich mir kein Gewiſſen daraus, mir
die Guͤter der katholiſchen Geiſtlichkeit zuzueignen,
und auf der Stelle ſaͤkulariſirte ich die frommen
Kuͤſſe Franſcheskas. Ich weiß, die Pfaffen wer¬
den hieruͤber wuͤthend ſeyn, ſie ſchreyen gewiß
uͤber Kirchenraub, und wuͤrden gern das franzoͤſi¬
ſche Sakrilegiengeſetz auf mich anwenden. Leider
muß ich geſtehen, daß beſagte Kuͤſſe das einzige
waren, was ich in jener Nacht erbeuten konnte.
Franſcheska hatte beſchloſſen dieſe Nacht nur zum
Heile ihrer Seele, kniend und betend, zu benutzen.
Vergebens erboth ich mich ihre Andachtsuͤbungen
zu theilen; — als ſie ihr Zimmer erreichte, ſchloß
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Heine, Heinrich: Reisebilder. Nachträge. Hamburg, 1831, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_reisebilder04_1831/63>, abgerufen am 21.11.2024.
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