Heine, Heinrich: [Rezension:] Die deutsche Literatur von Wolfgang Menzel. 2 Theile. Stuttgart, bei Gebrüder Frankh. 1828. In: Neue allgemeine politische Annalen, Band 27, Heft 3 (1828), S. 284–298.sinne Herr Menzel vom Protestantismus und Katholizismus "Der Erstarrung muß die Bewegung, dem Tode das Das Thema des Protestantismus führt uns auf dessen ſinne Herr Menzel vom Proteſtantismus und Katholizismus „Der Erſtarrung muß die Bewegung, dem Tode das Das Thema des Proteſtantismus führt uns auf deſſen <TEI> <text> <body> <div> <p><pb facs="#f0012" n="294"/> ſinne Herr Menzel vom Proteſtantismus und Katholizismus<lb/> ſpricht, in dieſem das Prinzip der Stabilität, in jenem das<lb/> Prinzip der Evolution erkennend. Jn dieſer Hinſicht bemerkt<lb/> er ſehr richtig unter der Rubrik „Religion.“ </p><lb/> <p>„Der Erſtarrung muß die Bewegung, dem Tode das<lb/> Leben, dem unveränderlichen Seyn ein ewiges Werden ſich<lb/> entgegenſetzen. Hierin allein hat der Proteſtantismus ſeine<lb/> große welthiſtoriſche Bedeutung gefunden. Er hat mit der<lb/> jugendlichen Kraft, die nach höherer Entwickelung drängt, der<lb/> greiſen Erſtarrung gewehrt. Er hat ein Naturgeſetz zu dem<lb/> ſeinigen gemacht, und mit dieſem allein kann er ſiegen. Die-<lb/> jenigen unter den Proteſtanten alſo, welche ſelbst wieder in<lb/> eine andere Art von Starrſucht verfallen ſind, die Ortho-<lb/> doxen, haben das eigentliche Jntereſſe des Kampfes aufgege-<lb/> ben. Sie ſind ſtehen geblieben und dürfen von Rechtswegen<lb/> ſich nicht beklagen, daß die Katholiken auch ſtehen geblieben<lb/> ſind. Man kann nur durch ewigen Fortschritt oder gar nicht<lb/> gewinnen. Wo man ſtehen bleibt, iſt ganz einerlei, ſo<lb/> einerlei, als wo die Uhr ſtehen bleibt. Sie iſt da, damit ſie<lb/> geht.“</p><lb/> <p>Das Thema des Proteſtantismus führt uns auf deſſen<lb/> würdigen Verfechter, Johann Heinrich Voß, den Herr Menzel<lb/> bei jeder Gelegenheit, mit den härteſten Worten und durch die<lb/> bitterſten Zuſammenſtellungen verunglimpft. Hierüber können<lb/> wir nicht beſtimmt genug unſeren Tadel ausſprechen. Wenn<lb/> der Vfr. unſeren ſeligen Voß einen „ungeſchlachten niederſäch-<lb/> ſiſchen Bauer“ nennt, ſollten wir faſt auf den Argwohn ge-<lb/> rathen, er neige ſelber zu der Partei jener Ritterlinge und<lb/> Pfaffen, wogegen Voß ſo wacker gekämpft hat. Jene Partei<lb/> iſt zu mächtig, als daß man mit einem zarten Galanteriedegen<lb/> gegen ſie kämpfen könnte, und wir bedurften eines unge-<lb/> ſchlachten niederſächſiſchen Bauers, der das alte Schlachtſchwert<lb/> aus der Zeit des Bauernkriegs wieder hervorgrub und damit<lb/> loshieb. Herr Menzel hat vielleicht nie gefühlt, wie tief ein<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [294/0012]
ſinne Herr Menzel vom Proteſtantismus und Katholizismus
ſpricht, in dieſem das Prinzip der Stabilität, in jenem das
Prinzip der Evolution erkennend. Jn dieſer Hinſicht bemerkt
er ſehr richtig unter der Rubrik „Religion.“
„Der Erſtarrung muß die Bewegung, dem Tode das
Leben, dem unveränderlichen Seyn ein ewiges Werden ſich
entgegenſetzen. Hierin allein hat der Proteſtantismus ſeine
große welthiſtoriſche Bedeutung gefunden. Er hat mit der
jugendlichen Kraft, die nach höherer Entwickelung drängt, der
greiſen Erſtarrung gewehrt. Er hat ein Naturgeſetz zu dem
ſeinigen gemacht, und mit dieſem allein kann er ſiegen. Die-
jenigen unter den Proteſtanten alſo, welche ſelbst wieder in
eine andere Art von Starrſucht verfallen ſind, die Ortho-
doxen, haben das eigentliche Jntereſſe des Kampfes aufgege-
ben. Sie ſind ſtehen geblieben und dürfen von Rechtswegen
ſich nicht beklagen, daß die Katholiken auch ſtehen geblieben
ſind. Man kann nur durch ewigen Fortschritt oder gar nicht
gewinnen. Wo man ſtehen bleibt, iſt ganz einerlei, ſo
einerlei, als wo die Uhr ſtehen bleibt. Sie iſt da, damit ſie
geht.“
Das Thema des Proteſtantismus führt uns auf deſſen
würdigen Verfechter, Johann Heinrich Voß, den Herr Menzel
bei jeder Gelegenheit, mit den härteſten Worten und durch die
bitterſten Zuſammenſtellungen verunglimpft. Hierüber können
wir nicht beſtimmt genug unſeren Tadel ausſprechen. Wenn
der Vfr. unſeren ſeligen Voß einen „ungeſchlachten niederſäch-
ſiſchen Bauer“ nennt, ſollten wir faſt auf den Argwohn ge-
rathen, er neige ſelber zu der Partei jener Ritterlinge und
Pfaffen, wogegen Voß ſo wacker gekämpft hat. Jene Partei
iſt zu mächtig, als daß man mit einem zarten Galanteriedegen
gegen ſie kämpfen könnte, und wir bedurften eines unge-
ſchlachten niederſächſiſchen Bauers, der das alte Schlachtſchwert
aus der Zeit des Bauernkriegs wieder hervorgrub und damit
loshieb. Herr Menzel hat vielleicht nie gefühlt, wie tief ein
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