Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Heine, Heinrich: Deutschland. Ein Wintermährchen. Hamburg, 1844.

Bild:
<< vorherige Seite

sehr bürgerlichen Zeit leben, und ich sehe leider
voraus, daß viele Töchter gebildeter Stände an
der Spree, wo nicht gar an der Alster, über
mein armes Gedicht die mehr oder minder ge¬
bogenen Näschen rümpfen werden! Was ich aber
mit noch größerem Leidwesen voraussehe, das ist
das Zeter jener Pharisäer der Nazionalität, die
jetzt mit den Antipathien der Regierungen Hand
in Hand gehen, auch die volle Liebe und Hochach¬
tung der Censur genießen, und in der Tages¬
presse den Ton angeben können, wo es gilt jene
Gegner zu befehden, die auch zugleich die Geg¬
ner ihrer allerhöchsten Herrschaften sind. Wir
sind im Herzen gewappnet gegen das Mißfallen
dieser heldenmüthigen Lakayen in schwarz-roth¬
goldner Livree. Ich höre schon ihre Bierstim¬
men: du lästerst sogar unsere Farben, Verächter
des Vaterlands, Freund der Franzosen, denen
du den freyen Rhein abtreten willst! Beruhigt
Euch. Ich werde Eure Farben achten und
ehren, wenn sie es verdienen, wenn sie nicht

ſehr bürgerlichen Zeit leben, und ich ſehe leider
voraus, daß viele Töchter gebildeter Stände an
der Spree, wo nicht gar an der Alſter, über
mein armes Gedicht die mehr oder minder ge¬
bogenen Näschen rümpfen werden! Was ich aber
mit noch größerem Leidweſen vorausſehe, das iſt
das Zeter jener Phariſäer der Nazionalität, die
jetzt mit den Antipathien der Regierungen Hand
in Hand gehen, auch die volle Liebe und Hochach¬
tung der Cenſur genießen, und in der Tages¬
preſſe den Ton angeben können, wo es gilt jene
Gegner zu befehden, die auch zugleich die Geg¬
ner ihrer allerhöchſten Herrſchaften ſind. Wir
ſind im Herzen gewappnet gegen das Mißfallen
dieſer heldenmüthigen Lakayen in ſchwarz-roth¬
goldner Livree. Ich höre ſchon ihre Bierſtim¬
men: du läſterſt ſogar unſere Farben, Verächter
des Vaterlands, Freund der Franzoſen, denen
du den freyen Rhein abtreten willſt! Beruhigt
Euch. Ich werde Eure Farben achten und
ehren, wenn ſie es verdienen, wenn ſie nicht

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0015" n="VII"/>
&#x017F;ehr bürgerlichen Zeit leben, und ich &#x017F;ehe leider<lb/>
voraus, daß viele Töchter gebildeter Stände an<lb/>
der Spree, wo nicht gar an der Al&#x017F;ter, über<lb/>
mein armes Gedicht die mehr oder minder ge¬<lb/>
bogenen Näschen rümpfen werden! Was ich aber<lb/>
mit noch größerem Leidwe&#x017F;en voraus&#x017F;ehe, das i&#x017F;t<lb/>
das Zeter jener Phari&#x017F;äer der Nazionalität, die<lb/>
jetzt mit den Antipathien der Regierungen Hand<lb/>
in Hand gehen, auch die volle Liebe und Hochach¬<lb/>
tung der Cen&#x017F;ur genießen, und in der Tages¬<lb/>
pre&#x017F;&#x017F;e den Ton angeben können, wo es gilt jene<lb/>
Gegner zu befehden, die auch zugleich die Geg¬<lb/>
ner ihrer allerhöch&#x017F;ten Herr&#x017F;chaften &#x017F;ind. Wir<lb/>
&#x017F;ind im Herzen gewappnet gegen das Mißfallen<lb/>
die&#x017F;er heldenmüthigen Lakayen in &#x017F;chwarz-roth¬<lb/>
goldner Livree. Ich höre &#x017F;chon ihre Bier&#x017F;tim¬<lb/>
men: du lä&#x017F;ter&#x017F;t &#x017F;ogar un&#x017F;ere Farben, Verächter<lb/>
des Vaterlands, Freund der Franzo&#x017F;en, denen<lb/>
du den freyen Rhein abtreten will&#x017F;t! Beruhigt<lb/>
Euch. Ich werde Eure Farben achten und<lb/>
ehren, wenn &#x017F;ie es verdienen, wenn &#x017F;ie nicht<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[VII/0015] ſehr bürgerlichen Zeit leben, und ich ſehe leider voraus, daß viele Töchter gebildeter Stände an der Spree, wo nicht gar an der Alſter, über mein armes Gedicht die mehr oder minder ge¬ bogenen Näschen rümpfen werden! Was ich aber mit noch größerem Leidweſen vorausſehe, das iſt das Zeter jener Phariſäer der Nazionalität, die jetzt mit den Antipathien der Regierungen Hand in Hand gehen, auch die volle Liebe und Hochach¬ tung der Cenſur genießen, und in der Tages¬ preſſe den Ton angeben können, wo es gilt jene Gegner zu befehden, die auch zugleich die Geg¬ ner ihrer allerhöchſten Herrſchaften ſind. Wir ſind im Herzen gewappnet gegen das Mißfallen dieſer heldenmüthigen Lakayen in ſchwarz-roth¬ goldner Livree. Ich höre ſchon ihre Bierſtim¬ men: du läſterſt ſogar unſere Farben, Verächter des Vaterlands, Freund der Franzoſen, denen du den freyen Rhein abtreten willſt! Beruhigt Euch. Ich werde Eure Farben achten und ehren, wenn ſie es verdienen, wenn ſie nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Bei der für das DTA zugrunde gelegten Ausgabe aus… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_wintermaehrchen_1844
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heine_wintermaehrchen_1844/15
Zitationshilfe: Heine, Heinrich: Deutschland. Ein Wintermährchen. Hamburg, 1844, S. VII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heine_wintermaehrchen_1844/15>, abgerufen am 23.11.2024.