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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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alle Aussicht; unten schien der See zu kochen,
und eine ungeheure Feuerpfanne von geschmolz-
nem Silber; Eydexen, Käfer, Mücken und un-
zählbare Insekten hielten in der Gluht ein allge-
meines Fest, und die Grillen betäubten mit ihrem
Gezirp wie ein Meerbrausen die Ohren: wir
machten uns also an unsere Quelle in die grüne
kühle Nacht, wo die undurchdringlichen Eichen
und Buchengewölbe und Felsen mächtiglich vor
der Hitze Dampf beschirmten.

Wir stärkten uns mit Speise; und der fri-
sche Purpursaft der Traube weckte unbezwinglich
die Freude wieder in jeder Nerve. Wie ein Paar
junge Götter lagen wir da im Schatten, und unsre
Augen und Lippen lächelten vom vergangnen Kum-
mer wie die Blumen des Frühlings von süßem
Abendthau. O Jugend, o glückselige Jugend;
ach, warum verlässest du uns so bald!

Wir schwiegen, und überließen uns der
neuen Wonne; und plätscherten, denn wir hat-

ten

alle Ausſicht; unten ſchien der See zu kochen,
und eine ungeheure Feuerpfanne von geſchmolz-
nem Silber; Eydexen, Kaͤfer, Muͤcken und un-
zaͤhlbare Inſekten hielten in der Gluht ein allge-
meines Feſt, und die Grillen betaͤubten mit ihrem
Gezirp wie ein Meerbrauſen die Ohren: wir
machten uns alſo an unſere Quelle in die gruͤne
kuͤhle Nacht, wo die undurchdringlichen Eichen
und Buchengewoͤlbe und Felſen maͤchtiglich vor
der Hitze Dampf beſchirmten.

Wir ſtaͤrkten uns mit Speiſe; und der fri-
ſche Purpurſaft der Traube weckte unbezwinglich
die Freude wieder in jeder Nerve. Wie ein Paar
junge Goͤtter lagen wir da im Schatten, und unſre
Augen und Lippen laͤchelten vom vergangnen Kum-
mer wie die Blumen des Fruͤhlings von ſuͤßem
Abendthau. O Jugend, o gluͤckſelige Jugend;
ach, warum verlaͤſſeſt du uns ſo bald!

Wir ſchwiegen, und uͤberließen uns der
neuen Wonne; und plaͤtſcherten, denn wir hat-

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[116/0122] alle Ausſicht; unten ſchien der See zu kochen, und eine ungeheure Feuerpfanne von geſchmolz- nem Silber; Eydexen, Kaͤfer, Muͤcken und un- zaͤhlbare Inſekten hielten in der Gluht ein allge- meines Feſt, und die Grillen betaͤubten mit ihrem Gezirp wie ein Meerbrauſen die Ohren: wir machten uns alſo an unſere Quelle in die gruͤne kuͤhle Nacht, wo die undurchdringlichen Eichen und Buchengewoͤlbe und Felſen maͤchtiglich vor der Hitze Dampf beſchirmten. Wir ſtaͤrkten uns mit Speiſe; und der fri- ſche Purpurſaft der Traube weckte unbezwinglich die Freude wieder in jeder Nerve. Wie ein Paar junge Goͤtter lagen wir da im Schatten, und unſre Augen und Lippen laͤchelten vom vergangnen Kum- mer wie die Blumen des Fruͤhlings von ſuͤßem Abendthau. O Jugend, o gluͤckſelige Jugend; ach, warum verlaͤſſeſt du uns ſo bald! Wir ſchwiegen, und uͤberließen uns der neuen Wonne; und plaͤtſcherten, denn wir hat- ten

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/122>, abgerufen am 24.11.2024.