Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Unser junger Monarch ist übrigens leicht
zu leiten; und er findet, obgleich nicht ohne gute
natürliche Anlagen und manche helle Blicke,
doch dieß, aus einer sonderbaren Schwachheit
selbst zu handeln, fast immer das beste, was
der letzte Wohlredner ihm entschlossen vorträgt.

Außerst selten thut er etwas aus sich: Hülfe
und Gesellschaft muß er überall haben.

Gewohnheit ist eine schreckliche Tyrannin!
die Quelle des Uebels liegt darin, daß die bequem-
lich gewordnen Romulusse und Cäsarn durch blo-
ße Geburt von Kindheit an bey der geringsten
Kleinigkeit bedient werden, und hernach Ma-
schinen sind, von einer Menge Leuten zusam-
mengesetzt, nie ganz und unabhängig, eher
Schnecken und Schildkröten, als Adler in den
Lüften, die sie doch seyn möchten. Bauer und
Bettler haben mehr Gefühl eigner Existenz als
sie, und genießen größre Glückseeligkeit.

Noch

Unſer junger Monarch iſt uͤbrigens leicht
zu leiten; und er findet, obgleich nicht ohne gute
natuͤrliche Anlagen und manche helle Blicke,
doch dieß, aus einer ſonderbaren Schwachheit
ſelbſt zu handeln, faſt immer das beſte, was
der letzte Wohlredner ihm entſchloſſen vortraͤgt.

Außerſt ſelten thut er etwas aus ſich: Huͤlfe
und Geſellſchaft muß er uͤberall haben.

Gewohnheit iſt eine ſchreckliche Tyrannin!
die Quelle des Uebels liegt darin, daß die bequem-
lich gewordnen Romuluſſe und Caͤſarn durch blo-
ße Geburt von Kindheit an bey der geringſten
Kleinigkeit bedient werden, und hernach Ma-
ſchinen ſind, von einer Menge Leuten zuſam-
mengeſetzt, nie ganz und unabhaͤngig, eher
Schnecken und Schildkroͤten, als Adler in den
Luͤften, die ſie doch ſeyn moͤchten. Bauer und
Bettler haben mehr Gefuͤhl eigner Exiſtenz als
ſie, und genießen groͤßre Gluͤckſeeligkeit.

Noch
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0326" n="320"/>
        <p>Un&#x017F;er junger Monarch i&#x017F;t u&#x0364;brigens leicht<lb/>
zu leiten; und er findet, obgleich nicht ohne gute<lb/>
natu&#x0364;rliche Anlagen und manche helle Blicke,<lb/>
doch dieß, aus einer &#x017F;onderbaren Schwachheit<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t zu handeln, fa&#x017F;t immer das be&#x017F;te, was<lb/>
der letzte Wohlredner ihm ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en vortra&#x0364;gt.</p><lb/>
        <p>Außer&#x017F;t &#x017F;elten thut er etwas aus &#x017F;ich: Hu&#x0364;lfe<lb/>
und Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft muß er u&#x0364;berall haben.</p><lb/>
        <p>Gewohnheit i&#x017F;t eine &#x017F;chreckliche Tyrannin!<lb/>
die Quelle des Uebels liegt darin, daß die bequem-<lb/>
lich gewordnen Romulu&#x017F;&#x017F;e und Ca&#x0364;&#x017F;arn durch blo-<lb/>
ße Geburt von Kindheit an bey der gering&#x017F;ten<lb/>
Kleinigkeit bedient werden, und hernach Ma-<lb/>
&#x017F;chinen &#x017F;ind, von einer Menge Leuten zu&#x017F;am-<lb/>
menge&#x017F;etzt, nie ganz und unabha&#x0364;ngig, eher<lb/>
Schnecken und Schildkro&#x0364;ten, als Adler in den<lb/>
Lu&#x0364;ften, die &#x017F;ie doch &#x017F;eyn mo&#x0364;chten. Bauer und<lb/>
Bettler haben mehr Gefu&#x0364;hl eigner Exi&#x017F;tenz als<lb/>
&#x017F;ie, und genießen gro&#x0364;ßre Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Noch</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0326] Unſer junger Monarch iſt uͤbrigens leicht zu leiten; und er findet, obgleich nicht ohne gute natuͤrliche Anlagen und manche helle Blicke, doch dieß, aus einer ſonderbaren Schwachheit ſelbſt zu handeln, faſt immer das beſte, was der letzte Wohlredner ihm entſchloſſen vortraͤgt. Außerſt ſelten thut er etwas aus ſich: Huͤlfe und Geſellſchaft muß er uͤberall haben. Gewohnheit iſt eine ſchreckliche Tyrannin! die Quelle des Uebels liegt darin, daß die bequem- lich gewordnen Romuluſſe und Caͤſarn durch blo- ße Geburt von Kindheit an bey der geringſten Kleinigkeit bedient werden, und hernach Ma- ſchinen ſind, von einer Menge Leuten zuſam- mengeſetzt, nie ganz und unabhaͤngig, eher Schnecken und Schildkroͤten, als Adler in den Luͤften, die ſie doch ſeyn moͤchten. Bauer und Bettler haben mehr Gefuͤhl eigner Exiſtenz als ſie, und genießen groͤßre Gluͤckſeeligkeit. Noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/326
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/326>, abgerufen am 01.06.2024.