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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

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nicht kennt, kennt gewiß auch schlecht das Aeu-
ßere."

"Warum soll der Künstler keine Handlun-
gen darstellen dürfen? Körper und Handlungen
machen hier eins aus, das ist: Leben; und bey-
des ist dafür da; hohes edles Leben; dieß ist sein
letzter Endzweck. Bey einzelnen Figuren giebt dieß
Schönheit: bey mehrern zu Darstellung einer
Begebenheit kann und muß er zuweilen gar die
Häßlichkeit abbilden, wie z. B. den Maxentius in
einer Schlacht vom Konstantin, einen Attila, einen
Heliodor. Vollkommenheit zeigt sich von außen
durch Schönheit: Unvollkommenheit durch Häß-
lichkeit; und die mehrsten Begebenheiten in der
Welt sind ein Kampf zwischen Tugend und Laster.
Soll er das Laster schön darstellen? und ist er
deßwegen ein Kothmahler, wenn er es häßlich dar-
stellt? Häßlichkeit verändert hier seinen Namen,
und wird zu Schönheit der Kunst. Die Geschich-

te

nicht kennt, kennt gewiß auch ſchlecht das Aeu-
ßere.“

„Warum ſoll der Kuͤnſtler keine Handlun-
gen darſtellen duͤrfen? Koͤrper und Handlungen
machen hier eins aus, das iſt: Leben; und bey-
des iſt dafuͤr da; hohes edles Leben; dieß iſt ſein
letzter Endzweck. Bey einzelnen Figuren giebt dieß
Schoͤnheit: bey mehrern zu Darſtellung einer
Begebenheit kann und muß er zuweilen gar die
Haͤßlichkeit abbilden, wie z. B. den Maxentius in
einer Schlacht vom Konſtantin, einen Attila, einen
Heliodor. Vollkommenheit zeigt ſich von außen
durch Schoͤnheit: Unvollkommenheit durch Haͤß-
lichkeit; und die mehrſten Begebenheiten in der
Welt ſind ein Kampf zwiſchen Tugend und Laſter.
Soll er das Laſter ſchoͤn darſtellen? und iſt er
deßwegen ein Kothmahler, wenn er es haͤßlich dar-
ſtellt? Haͤßlichkeit veraͤndert hier ſeinen Namen,
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[388/0394] nicht kennt, kennt gewiß auch ſchlecht das Aeu- ßere.“ „Warum ſoll der Kuͤnſtler keine Handlun- gen darſtellen duͤrfen? Koͤrper und Handlungen machen hier eins aus, das iſt: Leben; und bey- des iſt dafuͤr da; hohes edles Leben; dieß iſt ſein letzter Endzweck. Bey einzelnen Figuren giebt dieß Schoͤnheit: bey mehrern zu Darſtellung einer Begebenheit kann und muß er zuweilen gar die Haͤßlichkeit abbilden, wie z. B. den Maxentius in einer Schlacht vom Konſtantin, einen Attila, einen Heliodor. Vollkommenheit zeigt ſich von außen durch Schoͤnheit: Unvollkommenheit durch Haͤß- lichkeit; und die mehrſten Begebenheiten in der Welt ſind ein Kampf zwiſchen Tugend und Laſter. Soll er das Laſter ſchoͤn darſtellen? und iſt er deßwegen ein Kothmahler, wenn er es haͤßlich dar- ſtellt? Haͤßlichkeit veraͤndert hier ſeinen Namen, und wird zu Schoͤnheit der Kunſt. Die Geſchich- te

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 388. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/394>, abgerufen am 22.11.2024.