Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

daß Plato nicht aufhörte, den komischen Dich-
ter hochzuschätzen.

Dieser hohe Genius schien uns überhaupt ei-
nen viel weitern Gesichtskreis als Xenophon zu
haben, und selbst über seinen Lehrmeister hinaus-
zugehen. Wir meinten, nicht wenige seiner Ge-
spräche müßten die Lieblingsschriften für jeden gu-
ten Kopf seyn, der sie fertig in der bezaubernden
Ursprache lesen kann; und dieß zwar haup[t]säch-
lich deßwegen, weil er selten seine Materie er-
schöpft, aber mit gewaltiger Hand in tiefe reiche
Fundgruben hineinführt. Wir bewunderten oft
an ihm, diesen Tag, die allergewandeste Attische
Feinheit, die so edel kein Schriftsteller, unsers
Wissens, weder seiner noch vielweniger irgend
einer andern Nazion je erreicht hat; und den
folgenden wieder die erhabensten Gedanken in
der kühnsten Sprache.

Demosthenes ist freylich gegen ihn, wie der
noch junge zu strenge Dionys von Halikarnaß

wahr

daß Plato nicht aufhoͤrte, den komiſchen Dich-
ter hochzuſchaͤtzen.

Dieſer hohe Genius ſchien uns uͤberhaupt ei-
nen viel weitern Geſichtskreis als Xenophon zu
haben, und ſelbſt uͤber ſeinen Lehrmeiſter hinaus-
zugehen. Wir meinten, nicht wenige ſeiner Ge-
ſpraͤche muͤßten die Lieblingsſchriften fuͤr jeden gu-
ten Kopf ſeyn, der ſie fertig in der bezaubernden
Urſprache leſen kann; und dieß zwar haup[t]ſaͤch-
lich deßwegen, weil er ſelten ſeine Materie er-
ſchoͤpft, aber mit gewaltiger Hand in tiefe reiche
Fundgruben hineinfuͤhrt. Wir bewunderten oft
an ihm, dieſen Tag, die allergewandeſte Attiſche
Feinheit, die ſo edel kein Schriftſteller, unſers
Wiſſens, weder ſeiner noch vielweniger irgend
einer andern Nazion je erreicht hat; und den
folgenden wieder die erhabenſten Gedanken in
der kuͤhnſten Sprache.

Demoſthenes iſt freylich gegen ihn, wie der
noch junge zu ſtrenge Dionys von Halikarnaß

wahr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0076" n="70"/>
daß Plato nicht aufho&#x0364;rte, den komi&#x017F;chen Dich-<lb/>
ter hochzu&#x017F;cha&#x0364;tzen.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;er hohe Genius &#x017F;chien uns u&#x0364;berhaupt ei-<lb/>
nen viel weitern Ge&#x017F;ichtskreis als Xenophon zu<lb/>
haben, und &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;ber &#x017F;einen Lehrmei&#x017F;ter hinaus-<lb/>
zugehen. Wir meinten, nicht wenige &#x017F;einer Ge-<lb/>
&#x017F;pra&#x0364;che mu&#x0364;ßten die Lieblings&#x017F;chriften fu&#x0364;r jeden gu-<lb/>
ten Kopf &#x017F;eyn, der &#x017F;ie fertig in der bezaubernden<lb/>
Ur&#x017F;prache le&#x017F;en kann; und dieß zwar haup<supplied>t</supplied>&#x017F;a&#x0364;ch-<lb/>
lich deßwegen, weil er &#x017F;elten &#x017F;eine Materie er-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pft, aber mit gewaltiger Hand in tiefe reiche<lb/>
Fundgruben hineinfu&#x0364;hrt. Wir bewunderten oft<lb/>
an ihm, die&#x017F;en Tag, die allergewande&#x017F;te Atti&#x017F;che<lb/>
Feinheit, die &#x017F;o edel kein Schrift&#x017F;teller, un&#x017F;ers<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;ens, weder &#x017F;einer noch vielweniger irgend<lb/>
einer andern Nazion je erreicht hat; und den<lb/>
folgenden wieder die erhaben&#x017F;ten Gedanken in<lb/>
der ku&#x0364;hn&#x017F;ten Sprache.</p><lb/>
        <p>Demo&#x017F;thenes i&#x017F;t freylich gegen ihn, wie der<lb/>
noch junge zu &#x017F;trenge <hi rendition="#fr">Dionys von Halikarnaß</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">wahr</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[70/0076] daß Plato nicht aufhoͤrte, den komiſchen Dich- ter hochzuſchaͤtzen. Dieſer hohe Genius ſchien uns uͤberhaupt ei- nen viel weitern Geſichtskreis als Xenophon zu haben, und ſelbſt uͤber ſeinen Lehrmeiſter hinaus- zugehen. Wir meinten, nicht wenige ſeiner Ge- ſpraͤche muͤßten die Lieblingsſchriften fuͤr jeden gu- ten Kopf ſeyn, der ſie fertig in der bezaubernden Urſprache leſen kann; und dieß zwar hauptſaͤch- lich deßwegen, weil er ſelten ſeine Materie er- ſchoͤpft, aber mit gewaltiger Hand in tiefe reiche Fundgruben hineinfuͤhrt. Wir bewunderten oft an ihm, dieſen Tag, die allergewandeſte Attiſche Feinheit, die ſo edel kein Schriftſteller, unſers Wiſſens, weder ſeiner noch vielweniger irgend einer andern Nazion je erreicht hat; und den folgenden wieder die erhabenſten Gedanken in der kuͤhnſten Sprache. Demoſthenes iſt freylich gegen ihn, wie der noch junge zu ſtrenge Dionys von Halikarnaß wahr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/76
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 1. Lemgo, 1787, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello01_1787/76>, abgerufen am 21.11.2024.