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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

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phanes nicht für Witz über die Götter ausgegos-
sen? Wir im heiligen Rom erschrecken noch nach
Jahrtausenden über seinen Muthwillen, wenn
wir uns einmal mit der Phantasie in dessen Zei-
ten gedacht haben. Das Scherzen über die Be-
wohner des Olymp mochten die Griechen, scheint
es, sehr wohl leiden; nur durfte sie einer nicht
mit Stumpf und Stiel ausrotten wollen, und
als Schwärmer deren Bildsäulen zerschlagen;
ohne ihnen dafür andre Freuden, andern Zeit-
vertreib zu gewähren. Jeder begriff an sich
selbst, daß sich das Gefühl der Wahrheit und
Falschheit nicht so ganz bändigen läßt, wenn man
den Bürger nicht als bloßen Sklaven haben will.
Bürgerliche Ordnung soll nur Gewaltthätigkeit
hemmen, und nicht den freyen Gebrauch der
Seelenkräfte: sonst bleibt der Mensch nicht
Mensch mehr, und wird zum Thier der Heerde;
verliert seine eigenthümliche Glückseeligkeit und
allen Wetteifer, wie wir in den tyrannischen

Staa-

phanes nicht fuͤr Witz uͤber die Goͤtter ausgegoſ-
ſen? Wir im heiligen Rom erſchrecken noch nach
Jahrtauſenden uͤber ſeinen Muthwillen, wenn
wir uns einmal mit der Phantaſie in deſſen Zei-
ten gedacht haben. Das Scherzen uͤber die Be-
wohner des Olymp mochten die Griechen, ſcheint
es, ſehr wohl leiden; nur durfte ſie einer nicht
mit Stumpf und Stiel ausrotten wollen, und
als Schwaͤrmer deren Bildſaͤulen zerſchlagen;
ohne ihnen dafuͤr andre Freuden, andern Zeit-
vertreib zu gewaͤhren. Jeder begriff an ſich
ſelbſt, daß ſich das Gefuͤhl der Wahrheit und
Falſchheit nicht ſo ganz baͤndigen laͤßt, wenn man
den Buͤrger nicht als bloßen Sklaven haben will.
Buͤrgerliche Ordnung ſoll nur Gewaltthaͤtigkeit
hemmen, und nicht den freyen Gebrauch der
Seelenkraͤfte: ſonſt bleibt der Menſch nicht
Menſch mehr, und wird zum Thier der Heerde;
verliert ſeine eigenthuͤmliche Gluͤckſeeligkeit und
allen Wetteifer, wie wir in den tyranniſchen

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[134/0142] phanes nicht fuͤr Witz uͤber die Goͤtter ausgegoſ- ſen? Wir im heiligen Rom erſchrecken noch nach Jahrtauſenden uͤber ſeinen Muthwillen, wenn wir uns einmal mit der Phantaſie in deſſen Zei- ten gedacht haben. Das Scherzen uͤber die Be- wohner des Olymp mochten die Griechen, ſcheint es, ſehr wohl leiden; nur durfte ſie einer nicht mit Stumpf und Stiel ausrotten wollen, und als Schwaͤrmer deren Bildſaͤulen zerſchlagen; ohne ihnen dafuͤr andre Freuden, andern Zeit- vertreib zu gewaͤhren. Jeder begriff an ſich ſelbſt, daß ſich das Gefuͤhl der Wahrheit und Falſchheit nicht ſo ganz baͤndigen laͤßt, wenn man den Buͤrger nicht als bloßen Sklaven haben will. Buͤrgerliche Ordnung ſoll nur Gewaltthaͤtigkeit hemmen, und nicht den freyen Gebrauch der Seelenkraͤfte: ſonſt bleibt der Menſch nicht Menſch mehr, und wird zum Thier der Heerde; verliert ſeine eigenthuͤmliche Gluͤckſeeligkeit und allen Wetteifer, wie wir in den tyranniſchen Staa-

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/142>, abgerufen am 21.11.2024.