dung beginnen, und sich mit gleichartigen und andern Wesen paaren, und hernach zusammen- schaffen und bilden mußte. Wenn nun Ver- stand ursprüngliche Empfindung ist: so ist er auch der Schöpfer von allem Individuellen.
Der erste Trieb in jedem Lebendigen ist das Vergnügen, oder nicht allein und vereinzelt zu seyn. Der zweyte, weitere Erkenntniß und größere Kraft zugleich: dadurch erhob sich die vereinzelte Natur vom Wurm an bis zum erhab- nen, freyen, vielfassenden und verbindenden klaren Menschen, der deßwegen die Sprache und alle Künste erfand. Der dritte ungeheure, der alles unglücklich macht, die ganze Welt zu erkennen, und sie seyn zu wollen; und in der That tobt immer das dunkle Gefühl in uns auf, sie einmal gewesen zu seyn, und wieder zu werden.
Ardinghello. Ich erstaune über eure küh- [n]en Behauptungen, und es wird mir vieles
Nach-
dung beginnen, und ſich mit gleichartigen und andern Weſen paaren, und hernach zuſammen- ſchaffen und bilden mußte. Wenn nun Ver- ſtand urſpruͤngliche Empfindung iſt: ſo iſt er auch der Schoͤpfer von allem Individuellen.
Der erſte Trieb in jedem Lebendigen iſt das Vergnuͤgen, oder nicht allein und vereinzelt zu ſeyn. Der zweyte, weitere Erkenntniß und groͤßere Kraft zugleich: dadurch erhob ſich die vereinzelte Natur vom Wurm an bis zum erhab- nen, freyen, vielfaſſenden und verbindenden klaren Menſchen, der deßwegen die Sprache und alle Kuͤnſte erfand. Der dritte ungeheure, der alles ungluͤcklich macht, die ganze Welt zu erkennen, und ſie ſeyn zu wollen; und in der That tobt immer das dunkle Gefuͤhl in uns auf, ſie einmal geweſen zu ſeyn, und wieder zu werden.
Ardinghello. Ich erſtaune uͤber eure kuͤh- [n]en Behauptungen, und es wird mir vieles
Nach-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0184"n="176"/>
dung beginnen, und ſich mit gleichartigen und<lb/>
andern Weſen paaren, und hernach zuſammen-<lb/>ſchaffen und bilden mußte. Wenn nun Ver-<lb/>ſtand urſpruͤngliche Empfindung iſt: ſo iſt er auch<lb/>
der Schoͤpfer von allem Individuellen.</p><lb/><p>Der erſte Trieb in jedem Lebendigen iſt das<lb/>
Vergnuͤgen, oder nicht allein und vereinzelt zu<lb/>ſeyn. Der zweyte, weitere Erkenntniß und<lb/>
groͤßere Kraft zugleich: dadurch erhob ſich die<lb/>
vereinzelte Natur vom Wurm an bis zum erhab-<lb/>
nen, freyen, vielfaſſenden und verbindenden<lb/>
klaren Menſchen, der deßwegen die Sprache<lb/>
und alle Kuͤnſte erfand. Der dritte ungeheure,<lb/>
der alles ungluͤcklich macht, die ganze Welt zu<lb/>
erkennen, und ſie ſeyn zu wollen; und in der<lb/>
That tobt immer das dunkle Gefuͤhl in uns auf,<lb/>ſie einmal geweſen zu ſeyn, und wieder zu<lb/>
werden.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Ardinghello</hi>. Ich erſtaune uͤber eure kuͤh-<lb/><supplied>n</supplied>en Behauptungen, und es wird mir vieles<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Nach-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[176/0184]
dung beginnen, und ſich mit gleichartigen und
andern Weſen paaren, und hernach zuſammen-
ſchaffen und bilden mußte. Wenn nun Ver-
ſtand urſpruͤngliche Empfindung iſt: ſo iſt er auch
der Schoͤpfer von allem Individuellen.
Der erſte Trieb in jedem Lebendigen iſt das
Vergnuͤgen, oder nicht allein und vereinzelt zu
ſeyn. Der zweyte, weitere Erkenntniß und
groͤßere Kraft zugleich: dadurch erhob ſich die
vereinzelte Natur vom Wurm an bis zum erhab-
nen, freyen, vielfaſſenden und verbindenden
klaren Menſchen, der deßwegen die Sprache
und alle Kuͤnſte erfand. Der dritte ungeheure,
der alles ungluͤcklich macht, die ganze Welt zu
erkennen, und ſie ſeyn zu wollen; und in der
That tobt immer das dunkle Gefuͤhl in uns auf,
ſie einmal geweſen zu ſeyn, und wieder zu
werden.
Ardinghello. Ich erſtaune uͤber eure kuͤh-
nen Behauptungen, und es wird mir vieles
Nach-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/184>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.