Schilderung von dem Regenten in uns ists nicht genug gethan. Was den Verstand, oder das Wesen betrift, das in uns denkt: so könnte Ana- xagoras gar wohl Recht haben, und das feinste Wesen sich nach den andern richten müssen (die, wie ihr selbst bewiesen habt, nichts weniger als todt sind) wenn es dieselben brauchen will, ohne daß wir eben wissen, wie es zugeht. Man kann freylich das Liebesgeheimniß nicht bis ins Inner- ste aufdecken, wie verschiednes ein lebendiges Eins wird, und so fortdauert, und zusammen- handelt; aber eben so schwer läßt sich das We- sen, welches Gedanke und Verstand, und das, welches Körper wird, als Eins erklären. Qua- lität ist so etwas sonderbares, daß es bloße ver- schiedne Art von Ausdehnung und Anziehung nicht überall hervorbringen kann. Der Ver- stand bleibt dabey ein Blindgebohrner, trotz al- ler möglichen Anwendung von Figur und Dauer; und sie ist allein Gegenstand der Empfindung.
Jede
Schilderung von dem Regenten in uns iſts nicht genug gethan. Was den Verſtand, oder das Weſen betrift, das in uns denkt: ſo koͤnnte Ana- xagoras gar wohl Recht haben, und das feinſte Weſen ſich nach den andern richten muͤſſen (die, wie ihr ſelbſt bewieſen habt, nichts weniger als todt ſind) wenn es dieſelben brauchen will, ohne daß wir eben wiſſen, wie es zugeht. Man kann freylich das Liebesgeheimniß nicht bis ins Inner- ſte aufdecken, wie verſchiednes ein lebendiges Eins wird, und ſo fortdauert, und zuſammen- handelt; aber eben ſo ſchwer laͤßt ſich das We- ſen, welches Gedanke und Verſtand, und das, welches Koͤrper wird, als Eins erklaͤren. Qua- litaͤt iſt ſo etwas ſonderbares, daß es bloße ver- ſchiedne Art von Ausdehnung und Anziehung nicht uͤberall hervorbringen kann. Der Ver- ſtand bleibt dabey ein Blindgebohrner, trotz al- ler moͤglichen Anwendung von Figur und Dauer; und ſie iſt allein Gegenſtand der Empfindung.
Jede
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Schilderung von dem Regenten in uns iſts nicht
genug gethan. Was den Verſtand, oder das
Weſen betrift, das in uns denkt: ſo koͤnnte Ana-
xagoras gar wohl Recht haben, und das feinſte
Weſen ſich nach den andern richten muͤſſen (die,
wie ihr ſelbſt bewieſen habt, nichts weniger als
todt ſind) wenn es dieſelben brauchen will, ohne
daß wir eben wiſſen, wie es zugeht. Man kann
freylich das Liebesgeheimniß nicht bis ins Inner-
ſte aufdecken, wie verſchiednes ein lebendiges
Eins wird, und ſo fortdauert, und zuſammen-
handelt; aber eben ſo ſchwer laͤßt ſich das We-
ſen, welches Gedanke und Verſtand, und das,
welches Koͤrper wird, als Eins erklaͤren. Qua-
litaͤt iſt ſo etwas ſonderbares, daß es bloße ver-
ſchiedne Art von Ausdehnung und Anziehung
nicht uͤberall hervorbringen kann. Der Ver-
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 240. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/248>, abgerufen am 16.02.2025.
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