alten Rom, als in dem neuern, wo es auch am frömmsten da zuging.
Ihr sagt, der Verstand könne nur in Ei- nem einzigen nothwendigen unendlichen Wesen, das alles ist, seine Ruhe finden? und ich weiß nicht, wie es zugeht: mir klopft das Herz vor Angst, und sausen die Ohren, je länger ich dar- über nachdenke. Es bleibt immer einerley, es mag werden, was es will (ein Herr ohne Unter- thanen, Widerspruch! oder der selbst sich in sei- nen Geschöpfen lobpreist, oder selbst bestraft) und kann seinem Schicksal der gräßlichen Einöde nicht entrinnen; ist schlimmer daran, als die al- ten Feen in den Ritterbüchern, die sich bey wi- drigen Begebenheiten die Augen zerweinen, daß sie sich nicht ermorden können. Alle Lust und Pracht und Herrlichkeit der Welt wird zum Gaukelspiel, und schwindet zurück, für uns in ein Unding.
Aristoteles ertrug nie ein solches Wesen, und sträubt sich dagegen aus allen Kräften; und mich dünkt, der hohe, edle hatte Recht.
Es
alten Rom, als in dem neuern, wo es auch am froͤmmſten da zuging.
Ihr ſagt, der Verſtand koͤnne nur in Ei- nem einzigen nothwendigen unendlichen Weſen, das alles iſt, ſeine Ruhe finden? und ich weiß nicht, wie es zugeht: mir klopft das Herz vor Angſt, und ſauſen die Ohren, je laͤnger ich dar- uͤber nachdenke. Es bleibt immer einerley, es mag werden, was es will (ein Herr ohne Unter- thanen, Widerſpruch! oder der ſelbſt ſich in ſei- nen Geſchoͤpfen lobpreiſt, oder ſelbſt beſtraft) und kann ſeinem Schickſal der graͤßlichen Einoͤde nicht entrinnen; iſt ſchlimmer daran, als die al- ten Feen in den Ritterbuͤchern, die ſich bey wi- drigen Begebenheiten die Augen zerweinen, daß ſie ſich nicht ermorden koͤnnen. Alle Luſt und Pracht und Herrlichkeit der Welt wird zum Gaukelſpiel, und ſchwindet zuruͤck, fuͤr uns in ein Unding.
Ariſtoteles ertrug nie ein ſolches Weſen, und ſtraͤubt ſich dagegen aus allen Kraͤften; und mich duͤnkt, der hohe, edle hatte Recht.
Es
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[242/0250]
alten Rom, als in dem neuern, wo es auch
am froͤmmſten da zuging.
Ihr ſagt, der Verſtand koͤnne nur in Ei-
nem einzigen nothwendigen unendlichen Weſen,
das alles iſt, ſeine Ruhe finden? und ich weiß
nicht, wie es zugeht: mir klopft das Herz vor
Angſt, und ſauſen die Ohren, je laͤnger ich dar-
uͤber nachdenke. Es bleibt immer einerley, es
mag werden, was es will (ein Herr ohne Unter-
thanen, Widerſpruch! oder der ſelbſt ſich in ſei-
nen Geſchoͤpfen lobpreiſt, oder ſelbſt beſtraft)
und kann ſeinem Schickſal der graͤßlichen Einoͤde
nicht entrinnen; iſt ſchlimmer daran, als die al-
ten Feen in den Ritterbuͤchern, die ſich bey wi-
drigen Begebenheiten die Augen zerweinen, daß
ſie ſich nicht ermorden koͤnnen. Alle Luſt und Pracht
und Herrlichkeit der Welt wird zum Gaukelſpiel,
und ſchwindet zuruͤck, fuͤr uns in ein Unding.
Ariſtoteles ertrug nie ein ſolches Weſen, und
ſtraͤubt ſich dagegen aus allen Kraͤften; und mich
duͤnkt, der hohe, edle hatte Recht.
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/250>, abgerufen am 16.02.2025.
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