Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

So kräftig hat er nichts anders gemahlt; und
nirgend anderswo sind seine Formen so vollkom-
men reif, stark in der Art Schönheit, die ihm ei-
gen war.

Die Apostel unten sind schwach und matt
dagegen, und nur wie verwelkend sterblich Fleisch,
des Kontrasts wegen; aber durchaus vortrefliche
Männergestalten, besonders Petrus und ein an-
drer im Vordergrunde, in Bewegung und Leben.

Mit denen in der Verklärung sind in drey
Gemählden allein sechs und dreyßig Apostel;
und in jedem sehen sie anders aus, und keiner
wie der andre; und doch scheinen die meisten
treflich zu seyn und zu passen.

Die Mahlerey ist wie die Musik; zu den-
selben Worten können große Meister, kann einer
allein ganz verschiedne Melodien machen, die
alle doch in der Natur ihren guten Grund haben:
es kömmt nur darauf an, wie man sich den
Menschen denkt, der sie singt.

Neh-

So kraͤftig hat er nichts anders gemahlt; und
nirgend anderswo ſind ſeine Formen ſo vollkom-
men reif, ſtark in der Art Schoͤnheit, die ihm ei-
gen war.

Die Apoſtel unten ſind ſchwach und matt
dagegen, und nur wie verwelkend ſterblich Fleiſch,
des Kontraſts wegen; aber durchaus vortrefliche
Maͤnnergeſtalten, beſonders Petrus und ein an-
drer im Vordergrunde, in Bewegung und Leben.

Mit denen in der Verklaͤrung ſind in drey
Gemaͤhlden allein ſechs und dreyßig Apoſtel;
und in jedem ſehen ſie anders aus, und keiner
wie der andre; und doch ſcheinen die meiſten
treflich zu ſeyn und zu paſſen.

Die Mahlerey iſt wie die Muſik; zu den-
ſelben Worten koͤnnen große Meiſter, kann einer
allein ganz verſchiedne Melodien machen, die
alle doch in der Natur ihren guten Grund haben:
es koͤmmt nur darauf an, wie man ſich den
Menſchen denkt, der ſie ſingt.

Neh-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0279" n="271"/>
So kra&#x0364;ftig hat er nichts anders gemahlt; und<lb/>
nirgend anderswo &#x017F;ind &#x017F;eine Formen &#x017F;o vollkom-<lb/>
men reif, &#x017F;tark in der Art Scho&#x0364;nheit, die ihm ei-<lb/>
gen war.</p><lb/>
          <p>Die Apo&#x017F;tel unten &#x017F;ind &#x017F;chwach und matt<lb/>
dagegen, und nur wie verwelkend &#x017F;terblich Flei&#x017F;ch,<lb/>
des Kontra&#x017F;ts wegen; aber durchaus vortrefliche<lb/>
Ma&#x0364;nnerge&#x017F;talten, be&#x017F;onders Petrus und ein an-<lb/>
drer im Vordergrunde, in Bewegung und Leben.</p><lb/>
          <p>Mit denen in der Verkla&#x0364;rung &#x017F;ind in drey<lb/>
Gema&#x0364;hlden allein &#x017F;echs und dreyßig Apo&#x017F;tel;<lb/>
und in jedem &#x017F;ehen &#x017F;ie anders aus, und keiner<lb/>
wie der andre; und doch &#x017F;cheinen die mei&#x017F;ten<lb/>
treflich zu &#x017F;eyn und zu pa&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Die Mahlerey i&#x017F;t wie die Mu&#x017F;ik; zu den-<lb/>
&#x017F;elben Worten ko&#x0364;nnen große Mei&#x017F;ter, kann einer<lb/>
allein ganz ver&#x017F;chiedne Melodien machen, die<lb/>
alle doch in der Natur ihren guten Grund haben:<lb/>
es ko&#x0364;mmt nur darauf an, wie man &#x017F;ich den<lb/>
Men&#x017F;chen denkt, der &#x017F;ie &#x017F;ingt.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Neh-</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0279] So kraͤftig hat er nichts anders gemahlt; und nirgend anderswo ſind ſeine Formen ſo vollkom- men reif, ſtark in der Art Schoͤnheit, die ihm ei- gen war. Die Apoſtel unten ſind ſchwach und matt dagegen, und nur wie verwelkend ſterblich Fleiſch, des Kontraſts wegen; aber durchaus vortrefliche Maͤnnergeſtalten, beſonders Petrus und ein an- drer im Vordergrunde, in Bewegung und Leben. Mit denen in der Verklaͤrung ſind in drey Gemaͤhlden allein ſechs und dreyßig Apoſtel; und in jedem ſehen ſie anders aus, und keiner wie der andre; und doch ſcheinen die meiſten treflich zu ſeyn und zu paſſen. Die Mahlerey iſt wie die Muſik; zu den- ſelben Worten koͤnnen große Meiſter, kann einer allein ganz verſchiedne Melodien machen, die alle doch in der Natur ihren guten Grund haben: es koͤmmt nur darauf an, wie man ſich den Menſchen denkt, der ſie ſingt. Neh-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/279
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/279>, abgerufen am 22.11.2024.