ein armseliges Fragment ohn alles Leben; weil kein Anschauer des Gemähldes, der die Natur nicht sah, sich auch mit der blühendsten Phanta- sie das hinzuzudenken vermag, was man nicht andeuten kann. Und überhaupt ist es Frech- heit von einem Künstler, das vorstellen zu wol- len, dessen wesentliches bloß in Bewegung be- steht. Tizian zeigt klüglich allen Wasserfall nur in Fernen an, wo die Bewegung sich verliert und stille zu stehen scheint.
Terni selbst, das Vaterland des ersten Ge- schichtschreibers Tacitus, liegt äußerst angenehm zwischen lauter Gärten. An der Nordseite er- hebt sich noch ein Bogen von Hügeln mit lustigen Landhäusern, meistens zwischen Oelbäumen, die einen kleinen Wald ausmachen.
Aus der Nera, worin der Velino seinen Namen verliert, werden eine Menge Kanäle abgeleitet, die die Stadt und alles Land herum,
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ein armſeliges Fragment ohn alles Leben; weil kein Anſchauer des Gemaͤhldes, der die Natur nicht ſah, ſich auch mit der bluͤhendſten Phanta- ſie das hinzuzudenken vermag, was man nicht andeuten kann. Und uͤberhaupt iſt es Frech- heit von einem Kuͤnſtler, das vorſtellen zu wol- len, deſſen weſentliches bloß in Bewegung be- ſteht. Tizian zeigt kluͤglich allen Waſſerfall nur in Fernen an, wo die Bewegung ſich verliert und ſtille zu ſtehen ſcheint.
Terni ſelbſt, das Vaterland des erſten Ge- ſchichtſchreibers Tacitus, liegt aͤußerſt angenehm zwiſchen lauter Gaͤrten. An der Nordſeite er- hebt ſich noch ein Bogen von Huͤgeln mit luſtigen Landhaͤuſern, meiſtens zwiſchen Oelbaͤumen, die einen kleinen Wald ausmachen.
Aus der Nera, worin der Velino ſeinen Namen verliert, werden eine Menge Kanaͤle abgeleitet, die die Stadt und alles Land herum,
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ein armſeliges Fragment ohn alles Leben; weil
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nicht ſah, ſich auch mit der bluͤhendſten Phanta-
ſie das hinzuzudenken vermag, was man nicht
andeuten kann. Und uͤberhaupt iſt es Frech-
heit von einem Kuͤnſtler, das vorſtellen zu wol-
len, deſſen weſentliches bloß in Bewegung be-
ſteht. Tizian zeigt kluͤglich allen Waſſerfall nur
in Fernen an, wo die Bewegung ſich verliert und
ſtille zu ſtehen ſcheint.
Terni ſelbſt, das Vaterland des erſten Ge-
ſchichtſchreibers Tacitus, liegt aͤußerſt angenehm
zwiſchen lauter Gaͤrten. An der Nordſeite er-
hebt ſich noch ein Bogen von Huͤgeln mit luſtigen
Landhaͤuſern, meiſtens zwiſchen Oelbaͤumen, die
einen kleinen Wald ausmachen.
Aus der Nera, worin der Velino ſeinen
Namen verliert, werden eine Menge Kanaͤle
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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/321>, abgerufen am 24.11.2024.
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