Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

ken Bildern aus wirklicher Natur den ganzen
Menschen, daß alle Nerven harmonisch dröhn-
ten wie Saiten, von Meistern gespielt, auf
wohlklingenden Instrumenten. Alles leere Pö-
belblendwerk ward verworfen, und wir wandel-
ten in lauter Leben.

Darauf richteten wir unsre Staatsverfas-
sung ein nach Rom und Griechenland; und
studierten fleißig dabey die Republik des Lykurg,
des Plato, die Politik des Aristoteles, und den
Fürsten vom Macchiavell, um uns vor diesem
zu bewahren. Platons doppelten Bürgerstand,
wo die eine Klasse die Ehrenstellen haben, und
die andre den Ackerbau treiben soll, vermieden
wir weislich; behielten aber die Gemeinschaft
der Güter gegen den Aristoteles. Der Haufen
Uebel, den wir dadurch verbannten, war allzu-
groß; und der scharfsinnige Prüfer aller zu sei-
ner Zeit bekannten Republiken schien uns hierin
die Vorurtheile der Erziehung nicht genug ab-
gelegt zu haben. Inzwischen fand noch immer
Eigenthum statt, nehmlich öffentliche Belohnun-
gen; und jedem blieb, was er mit sich brachte,
bis ans Ende seiner Tage.

Ferner waren die Weiber nach dem erhab-
nen Schüler des Sokrates, jedoch auch nur
gewissermaßen, gemeinschaftlich, und so die
Männer; das ist: jedes hatte völlige Freyheit
seiner Person; und alle Gewaltthätigkeit wurde

hart
Ardinghello 2ter B. A a

ken Bildern aus wirklicher Natur den ganzen
Menſchen, daß alle Nerven harmoniſch droͤhn-
ten wie Saiten, von Meiſtern geſpielt, auf
wohlklingenden Inſtrumenten. Alles leere Poͤ-
belblendwerk ward verworfen, und wir wandel-
ten in lauter Leben.

Darauf richteten wir unſre Staatsverfaſ-
ſung ein nach Rom und Griechenland; und
ſtudierten fleißig dabey die Republik des Lykurg,
des Plato, die Politik des Ariſtoteles, und den
Fuͤrſten vom Macchiavell, um uns vor dieſem
zu bewahren. Platons doppelten Buͤrgerſtand,
wo die eine Klaſſe die Ehrenſtellen haben, und
die andre den Ackerbau treiben ſoll, vermieden
wir weislich; behielten aber die Gemeinſchaft
der Guͤter gegen den Ariſtoteles. Der Haufen
Uebel, den wir dadurch verbannten, war allzu-
groß; und der ſcharfſinnige Pruͤfer aller zu ſei-
ner Zeit bekannten Republiken ſchien uns hierin
die Vorurtheile der Erziehung nicht genug ab-
gelegt zu haben. Inzwiſchen fand noch immer
Eigenthum ſtatt, nehmlich oͤffentliche Belohnun-
gen; und jedem blieb, was er mit ſich brachte,
bis ans Ende ſeiner Tage.

Ferner waren die Weiber nach dem erhab-
nen Schuͤler des Sokrates, jedoch auch nur
gewiſſermaßen, gemeinſchaftlich, und ſo die
Maͤnner; das iſt: jedes hatte voͤllige Freyheit
ſeiner Perſon; und alle Gewaltthaͤtigkeit wurde

hart
Ardinghello 2ter B. A a
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0375" n="367"/>
ken Bildern aus wirklicher Natur den ganzen<lb/>
Men&#x017F;chen, daß alle Nerven harmoni&#x017F;ch dro&#x0364;hn-<lb/>
ten wie Saiten, von Mei&#x017F;tern ge&#x017F;pielt, auf<lb/>
wohlklingenden In&#x017F;trumenten. Alles leere Po&#x0364;-<lb/>
belblendwerk ward verworfen, und wir wandel-<lb/>
ten in lauter Leben.</p><lb/>
          <p>Darauf richteten wir un&#x017F;re Staatsverfa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung ein nach Rom und Griechenland; und<lb/>
&#x017F;tudierten fleißig dabey die Republik des Lykurg,<lb/>
des Plato, die Politik des Ari&#x017F;toteles, und den<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;ten vom Macchiavell, um uns vor die&#x017F;em<lb/>
zu bewahren. Platons doppelten Bu&#x0364;rger&#x017F;tand,<lb/>
wo die eine Kla&#x017F;&#x017F;e die Ehren&#x017F;tellen haben, und<lb/>
die andre den Ackerbau treiben &#x017F;oll, vermieden<lb/>
wir weislich; behielten aber die Gemein&#x017F;chaft<lb/>
der Gu&#x0364;ter gegen den Ari&#x017F;toteles. Der Haufen<lb/>
Uebel, den wir dadurch verbannten, war allzu-<lb/>
groß; und der &#x017F;charf&#x017F;innige Pru&#x0364;fer aller zu &#x017F;ei-<lb/>
ner Zeit bekannten Republiken &#x017F;chien uns hierin<lb/>
die Vorurtheile der Erziehung nicht genug ab-<lb/>
gelegt zu haben. Inzwi&#x017F;chen fand noch immer<lb/>
Eigenthum &#x017F;tatt, nehmlich o&#x0364;ffentliche Belohnun-<lb/>
gen; und jedem blieb, was er mit &#x017F;ich brachte,<lb/>
bis ans Ende &#x017F;einer Tage.</p><lb/>
          <p>Ferner waren die Weiber nach dem erhab-<lb/>
nen Schu&#x0364;ler des Sokrates, jedoch auch nur<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen, gemein&#x017F;chaftlich, und &#x017F;o die<lb/>
Ma&#x0364;nner; das i&#x017F;t: jedes hatte vo&#x0364;llige Freyheit<lb/>
&#x017F;einer Per&#x017F;on; und alle Gewalttha&#x0364;tigkeit wurde<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Ardinghello 2ter B.</hi> A a</fw><fw place="bottom" type="catch">hart</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[367/0375] ken Bildern aus wirklicher Natur den ganzen Menſchen, daß alle Nerven harmoniſch droͤhn- ten wie Saiten, von Meiſtern geſpielt, auf wohlklingenden Inſtrumenten. Alles leere Poͤ- belblendwerk ward verworfen, und wir wandel- ten in lauter Leben. Darauf richteten wir unſre Staatsverfaſ- ſung ein nach Rom und Griechenland; und ſtudierten fleißig dabey die Republik des Lykurg, des Plato, die Politik des Ariſtoteles, und den Fuͤrſten vom Macchiavell, um uns vor dieſem zu bewahren. Platons doppelten Buͤrgerſtand, wo die eine Klaſſe die Ehrenſtellen haben, und die andre den Ackerbau treiben ſoll, vermieden wir weislich; behielten aber die Gemeinſchaft der Guͤter gegen den Ariſtoteles. Der Haufen Uebel, den wir dadurch verbannten, war allzu- groß; und der ſcharfſinnige Pruͤfer aller zu ſei- ner Zeit bekannten Republiken ſchien uns hierin die Vorurtheile der Erziehung nicht genug ab- gelegt zu haben. Inzwiſchen fand noch immer Eigenthum ſtatt, nehmlich oͤffentliche Belohnun- gen; und jedem blieb, was er mit ſich brachte, bis ans Ende ſeiner Tage. Ferner waren die Weiber nach dem erhab- nen Schuͤler des Sokrates, jedoch auch nur gewiſſermaßen, gemeinſchaftlich, und ſo die Maͤnner; das iſt: jedes hatte voͤllige Freyheit ſeiner Perſon; und alle Gewaltthaͤtigkeit wurde hart Ardinghello 2ter B. A a

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/375
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/375>, abgerufen am 04.12.2024.