Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Interesse aller, die sich in eine Ge-
sellschaft vereinigen, bildet darauf Ordnung,
stiftet Gesetze, und innerlichen Frieden; alles
richtet sich dabey, wie bey jedem andern lebendi-
gen Ganzen, immer nach den Umständen.

Der beste Staat ist, wo alle vollkommne
Menschen und Bürger sind; und diesem folgt,
wo die mehrsten es sind. Hier wird kein Nero
gedeyhen! Derjenige Mensch und Bürger ist
vollkommen, welcher seine und seines Staats
Rechte kennt und ausübt.

Jedes hat fürs erste das Bedürfniß zu es-
sen, zu trinken, mit Kleidung und Wohnung
sich zu schützen und zu sichern, die Wahrheit von
dem Nothwendigen einzusehen, und wenn es
mannbar ist, das der Liebe zu pflegen. Vermag
es nicht, sich dieses friedlich zu verschaffen: so
darf es dazu die äußersten Mittel brauchen;
denn ohne dasselbe erhält es weder sich, noch sein
Geschlecht.

Auf gleiche Weise geht es hernach mit den
Bequemlichkeiten und Freuden des Lebens. Ein
armer schwacher Staat mag sich an dem ersten
rohen begnügen; allein dieses ist zur Glücksee-
ligkeit nicht hinlänglich. Der starke und tapfre
hat zu mehrerm Recht, eben weil er weitre
Bedürfnisse hat. Das beste Instrument gehört
dem besten Virtuosen; das königlichste Roß dem
muthigsten und geübtesten Bereiter. Land für

The-

Das Intereſſe aller, die ſich in eine Ge-
ſellſchaft vereinigen, bildet darauf Ordnung,
ſtiftet Geſetze, und innerlichen Frieden; alles
richtet ſich dabey, wie bey jedem andern lebendi-
gen Ganzen, immer nach den Umſtaͤnden.

Der beſte Staat iſt, wo alle vollkommne
Menſchen und Buͤrger ſind; und dieſem folgt,
wo die mehrſten es ſind. Hier wird kein Nero
gedeyhen! Derjenige Menſch und Buͤrger iſt
vollkommen, welcher ſeine und ſeines Staats
Rechte kennt und ausuͤbt.

Jedes hat fuͤrs erſte das Beduͤrfniß zu eſ-
ſen, zu trinken, mit Kleidung und Wohnung
ſich zu ſchuͤtzen und zu ſichern, die Wahrheit von
dem Nothwendigen einzuſehen, und wenn es
mannbar iſt, das der Liebe zu pflegen. Vermag
es nicht, ſich dieſes friedlich zu verſchaffen: ſo
darf es dazu die aͤußerſten Mittel brauchen;
denn ohne daſſelbe erhaͤlt es weder ſich, noch ſein
Geſchlecht.

Auf gleiche Weiſe geht es hernach mit den
Bequemlichkeiten und Freuden des Lebens. Ein
armer ſchwacher Staat mag ſich an dem erſten
rohen begnuͤgen; allein dieſes iſt zur Gluͤckſee-
ligkeit nicht hinlaͤnglich. Der ſtarke und tapfre
hat zu mehrerm Recht, eben weil er weitre
Beduͤrfniſſe hat. Das beſte Inſtrument gehoͤrt
dem beſten Virtuoſen; das koͤniglichſte Roß dem
muthigſten und geuͤbteſten Bereiter. Land fuͤr

The-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0380" n="372"/>
          <p>Das Intere&#x017F;&#x017F;e aller, die &#x017F;ich in eine Ge-<lb/>
&#x017F;ell&#x017F;chaft vereinigen, bildet darauf Ordnung,<lb/>
&#x017F;tiftet Ge&#x017F;etze, und innerlichen Frieden; alles<lb/>
richtet &#x017F;ich dabey, wie bey jedem andern lebendi-<lb/>
gen Ganzen, immer nach den Um&#x017F;ta&#x0364;nden.</p><lb/>
          <p>Der be&#x017F;te Staat i&#x017F;t, wo alle vollkommne<lb/>
Men&#x017F;chen und Bu&#x0364;rger &#x017F;ind; und die&#x017F;em folgt,<lb/>
wo die mehr&#x017F;ten es &#x017F;ind. Hier wird kein Nero<lb/>
gedeyhen! Derjenige Men&#x017F;ch und Bu&#x0364;rger i&#x017F;t<lb/>
vollkommen, welcher &#x017F;eine und &#x017F;eines Staats<lb/>
Rechte kennt und ausu&#x0364;bt.</p><lb/>
          <p>Jedes hat fu&#x0364;rs er&#x017F;te das Bedu&#x0364;rfniß zu e&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, zu trinken, mit Kleidung und Wohnung<lb/>
&#x017F;ich zu &#x017F;chu&#x0364;tzen und zu &#x017F;ichern, die Wahrheit von<lb/>
dem Nothwendigen einzu&#x017F;ehen, und wenn es<lb/>
mannbar i&#x017F;t, das der Liebe zu pflegen. Vermag<lb/>
es nicht, &#x017F;ich die&#x017F;es friedlich zu ver&#x017F;chaffen: &#x017F;o<lb/>
darf es dazu die a&#x0364;ußer&#x017F;ten Mittel brauchen;<lb/>
denn ohne da&#x017F;&#x017F;elbe erha&#x0364;lt es weder &#x017F;ich, noch &#x017F;ein<lb/>
Ge&#x017F;chlecht.</p><lb/>
          <p>Auf gleiche Wei&#x017F;e geht es hernach mit den<lb/>
Bequemlichkeiten und Freuden des Lebens. Ein<lb/>
armer &#x017F;chwacher Staat mag &#x017F;ich an dem er&#x017F;ten<lb/>
rohen begnu&#x0364;gen; allein die&#x017F;es i&#x017F;t zur Glu&#x0364;ck&#x017F;ee-<lb/>
ligkeit nicht hinla&#x0364;nglich. Der &#x017F;tarke und tapfre<lb/>
hat zu mehrerm Recht, eben weil er weitre<lb/>
Bedu&#x0364;rfni&#x017F;&#x017F;e hat. Das be&#x017F;te In&#x017F;trument geho&#x0364;rt<lb/>
dem be&#x017F;ten Virtuo&#x017F;en; das ko&#x0364;niglich&#x017F;te Roß dem<lb/>
muthig&#x017F;ten und geu&#x0364;bte&#x017F;ten Bereiter. Land fu&#x0364;r<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">The-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[372/0380] Das Intereſſe aller, die ſich in eine Ge- ſellſchaft vereinigen, bildet darauf Ordnung, ſtiftet Geſetze, und innerlichen Frieden; alles richtet ſich dabey, wie bey jedem andern lebendi- gen Ganzen, immer nach den Umſtaͤnden. Der beſte Staat iſt, wo alle vollkommne Menſchen und Buͤrger ſind; und dieſem folgt, wo die mehrſten es ſind. Hier wird kein Nero gedeyhen! Derjenige Menſch und Buͤrger iſt vollkommen, welcher ſeine und ſeines Staats Rechte kennt und ausuͤbt. Jedes hat fuͤrs erſte das Beduͤrfniß zu eſ- ſen, zu trinken, mit Kleidung und Wohnung ſich zu ſchuͤtzen und zu ſichern, die Wahrheit von dem Nothwendigen einzuſehen, und wenn es mannbar iſt, das der Liebe zu pflegen. Vermag es nicht, ſich dieſes friedlich zu verſchaffen: ſo darf es dazu die aͤußerſten Mittel brauchen; denn ohne daſſelbe erhaͤlt es weder ſich, noch ſein Geſchlecht. Auf gleiche Weiſe geht es hernach mit den Bequemlichkeiten und Freuden des Lebens. Ein armer ſchwacher Staat mag ſich an dem erſten rohen begnuͤgen; allein dieſes iſt zur Gluͤckſee- ligkeit nicht hinlaͤnglich. Der ſtarke und tapfre hat zu mehrerm Recht, eben weil er weitre Beduͤrfniſſe hat. Das beſte Inſtrument gehoͤrt dem beſten Virtuoſen; das koͤniglichſte Roß dem muthigſten und geuͤbteſten Bereiter. Land fuͤr The-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/380
Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 372. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/380>, abgerufen am 04.12.2024.