Die bildenden Künste möchten freylich nach dieser Regel übel wegkommen, besonders die Mahlerey, wenn die Arbeit dabey, wie Michel Angelo behauptet, Kinder- und Weibermäßig ist. Jedoch auch selbst die Philosophie: wenn man so viel lesen und schreiben müßte, als der Sta- girit gelesen und geschrieben hat; und noch mehr, um so weit Freyheit der Seele die des Leibes übersteigt, die ehrwürdigsten Aemter. Mein Nachbar hier mit seiner dreyfachen Krone wäre der Hauptsklav; gebunden wie ein Wickelkind, der alle Welt löst!
Aber das beste ist, man weiß sich bey die- sem allen schon schadlos zu halten, und versteht dieß nur auf wenige Tage und Stunden.
Uebrigens hatten die Griechen darin Recht, daß derjenige sich zum Handwerker erniedrigt, welcher seine Kunst des bloßen Gewinnsts wegen
eines
in einer gezwungnen Stellung und Lage ſeyn muß.
Die bildenden Kuͤnſte moͤchten freylich nach dieſer Regel uͤbel wegkommen, beſonders die Mahlerey, wenn die Arbeit dabey, wie Michel Angelo behauptet, Kinder- und Weibermaͤßig iſt. Jedoch auch ſelbſt die Philoſophie: wenn man ſo viel leſen und ſchreiben muͤßte, als der Sta- girit geleſen und geſchrieben hat; und noch mehr, um ſo weit Freyheit der Seele die des Leibes uͤberſteigt, die ehrwuͤrdigſten Aemter. Mein Nachbar hier mit ſeiner dreyfachen Krone waͤre der Hauptſklav; gebunden wie ein Wickelkind, der alle Welt loͤſt!
Aber das beſte iſt, man weiß ſich bey die- ſem allen ſchon ſchadlos zu halten, und verſteht dieß nur auf wenige Tage und Stunden.
Uebrigens hatten die Griechen darin Recht, daß derjenige ſich zum Handwerker erniedrigt, welcher ſeine Kunſt des bloßen Gewinnſts wegen
eines
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0074"n="66"/>
in einer gezwungnen Stellung und Lage ſeyn<lb/>
muß.</p><lb/><p>Die bildenden Kuͤnſte moͤchten freylich nach<lb/>
dieſer Regel uͤbel wegkommen, beſonders die<lb/>
Mahlerey, wenn die Arbeit dabey, wie Michel<lb/>
Angelo behauptet, Kinder- und Weibermaͤßig iſt.<lb/>
Jedoch auch ſelbſt die Philoſophie: wenn man<lb/>ſo viel leſen und ſchreiben muͤßte, als der Sta-<lb/>
girit geleſen und geſchrieben hat; und noch mehr,<lb/>
um ſo weit Freyheit der Seele die des Leibes<lb/>
uͤberſteigt, die ehrwuͤrdigſten Aemter. Mein<lb/>
Nachbar hier mit ſeiner dreyfachen Krone waͤre<lb/>
der Hauptſklav; gebunden wie ein Wickelkind,<lb/>
der alle Welt loͤſt!</p><lb/><p>Aber das beſte iſt, man weiß ſich bey die-<lb/>ſem allen ſchon ſchadlos zu halten, und verſteht<lb/>
dieß nur auf wenige Tage und Stunden.</p><lb/><p>Uebrigens hatten die Griechen darin Recht,<lb/>
daß derjenige ſich zum Handwerker erniedrigt,<lb/>
welcher ſeine Kunſt des bloßen Gewinnſts wegen<lb/><fwplace="bottom"type="catch">eines</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[66/0074]
in einer gezwungnen Stellung und Lage ſeyn
muß.
Die bildenden Kuͤnſte moͤchten freylich nach
dieſer Regel uͤbel wegkommen, beſonders die
Mahlerey, wenn die Arbeit dabey, wie Michel
Angelo behauptet, Kinder- und Weibermaͤßig iſt.
Jedoch auch ſelbſt die Philoſophie: wenn man
ſo viel leſen und ſchreiben muͤßte, als der Sta-
girit geleſen und geſchrieben hat; und noch mehr,
um ſo weit Freyheit der Seele die des Leibes
uͤberſteigt, die ehrwuͤrdigſten Aemter. Mein
Nachbar hier mit ſeiner dreyfachen Krone waͤre
der Hauptſklav; gebunden wie ein Wickelkind,
der alle Welt loͤſt!
Aber das beſte iſt, man weiß ſich bey die-
ſem allen ſchon ſchadlos zu halten, und verſteht
dieß nur auf wenige Tage und Stunden.
Uebrigens hatten die Griechen darin Recht,
daß derjenige ſich zum Handwerker erniedrigt,
welcher ſeine Kunſt des bloßen Gewinnſts wegen
eines
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/74>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.