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[Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787.

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nal dafür verschwunden wäre: um sich bey Erör-
terung dieses sylbenstecherischen Verdachts länger
zu verweilen.

Man hat bis jetzt das Lob des Plinius ent-
weder für bloß übertrieben hingesagt gehalten,
und sich unter den verlornen höchsten Meisterstü-
cken der ersten Künstler vom Phidias an bis zum
Lysipp ungleich vortreflichre Bilder vorgestellt,
oder die Dichter haben nur den schönen Ausdruck
der Vaterliebe in der Gruppe angepriesen, und
der große Haufe hat mit seinen Augen überhaupt
keinen rechten Endzweck aus der Vorstellung
hohlen können, und gedacht: es ist unglücklich
genug für uns, daß Löwen und Schlangen in
der Welt sind, warum soll man einen guten
Mann mit seinen Kindern noch damit in Mar-
mor quälen sehen?

Es wär erfreulich, wenn man schon aus
der Theorie der Kunst, und den bloßen Nach-
richten beweisen könnte, daß das Lob des Plinius

ge-

nal dafuͤr verſchwunden waͤre: um ſich bey Eroͤr-
terung dieſes ſylbenſtecheriſchen Verdachts laͤnger
zu verweilen.

Man hat bis jetzt das Lob des Plinius ent-
weder fuͤr bloß uͤbertrieben hingeſagt gehalten,
und ſich unter den verlornen hoͤchſten Meiſterſtuͤ-
cken der erſten Kuͤnſtler vom Phidias an bis zum
Lyſipp ungleich vortreflichre Bilder vorgeſtellt,
oder die Dichter haben nur den ſchoͤnen Ausdruck
der Vaterliebe in der Gruppe angeprieſen, und
der große Haufe hat mit ſeinen Augen uͤberhaupt
keinen rechten Endzweck aus der Vorſtellung
hohlen koͤnnen, und gedacht: es iſt ungluͤcklich
genug fuͤr uns, daß Loͤwen und Schlangen in
der Welt ſind, warum ſoll man einen guten
Mann mit ſeinen Kindern noch damit in Mar-
mor quaͤlen ſehen?

Es waͤr erfreulich, wenn man ſchon aus
der Theorie der Kunſt, und den bloßen Nach-
richten beweiſen koͤnnte, daß das Lob des Plinius

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[78/0086] nal dafuͤr verſchwunden waͤre: um ſich bey Eroͤr- terung dieſes ſylbenſtecheriſchen Verdachts laͤnger zu verweilen. Man hat bis jetzt das Lob des Plinius ent- weder fuͤr bloß uͤbertrieben hingeſagt gehalten, und ſich unter den verlornen hoͤchſten Meiſterſtuͤ- cken der erſten Kuͤnſtler vom Phidias an bis zum Lyſipp ungleich vortreflichre Bilder vorgeſtellt, oder die Dichter haben nur den ſchoͤnen Ausdruck der Vaterliebe in der Gruppe angeprieſen, und der große Haufe hat mit ſeinen Augen uͤberhaupt keinen rechten Endzweck aus der Vorſtellung hohlen koͤnnen, und gedacht: es iſt ungluͤcklich genug fuͤr uns, daß Loͤwen und Schlangen in der Welt ſind, warum ſoll man einen guten Mann mit ſeinen Kindern noch damit in Mar- mor quaͤlen ſehen? Es waͤr erfreulich, wenn man ſchon aus der Theorie der Kunſt, und den bloßen Nach- richten beweiſen koͤnnte, daß das Lob des Plinius ge-

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Zitationshilfe: [Heinse, Wilhelm]: Ardinghello und die glückseeligen Inseln. Bd. 2. Lemgo, 1787, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/heinse_ardinghello02_1787/86>, abgerufen am 21.11.2024.