das Vorstellen seiner selbst ist, so soll eben dieses Vor- stellen, als ein Erzeugen des Bildes, auch das Vorge- stellte, das Bild seyn. Die That soll selbst das Gethane, die Bedingung soll das Bedingte, der wirkliche Actus des Vorstellens soll das, als solches nichtige, Bild selber seyn! Will man der Strenge dieser, offenbar un- gereimten, Forderung sich entziehen? Wohlan! so ist das Object erstlich ein Reales für sich, und nun kommt zweytens das Subject mit einer Abspiegelung jenes Rea- len dazu. Da hat man das Ich entzweyet, und ist gerade in das vorhin gerügte Widersinnige des selbstbewussten Baumes verfallen. Es bleibt also dabey, dass das Abge- spiegelte ohne alle Vermittelung der Spiegel selbst sey; dass Ich Mich nur alsdann finde, wann das Vorstellen, anstatt von seinem Vorgestellten unterschieden zu wer- den, vielmehr eben als actives Vorstellen sein eignes Vor- gestelltes ist; folglich die Entgegengesetzten eben als Ent- gegengesetzte Einerley sind: -- wobey denn alle jene Be- griffe, von der That und dem Gethanen, der Bedingung und dem Bedingten, dem Wirklichen und seinem Bilde, die nur in ihren Gegensätzen einen Sinn hatten, in Un- sinn übergehen müssen. Und die vorhin entwickelten unendlichen Reihen wiederhohlen diesen Unsinn ins Un- endliche. --
Wäre die Rede vom viereckigten Cirkel: so würde sich niemand über dessen Möglichkeit den Kopf zerbre- chen. Aber die Rede ist vom Ich, das wir jeden Augen- blick aussprechen; von uns selbst, so fern wir uns das Bewusstseyn unsrer selbst zuschreiben. Die Frage ist, Wen wir eigentlich meinen, indem wir von uns reden? Und wenn wir diesen Wen gefunden hätten, was wir denn beginnen, indem wir ihm das Wissen von sich selbst beylegen? Er, der dieses Prädicat empfangen soll, muss ohne Zweifel dafür empfänglich seyn. Er muss also kein Ding an sich, er kann aber auch nicht das Von- Sich-Wissen selber seyn. Denn wir sehen nun endlich deutlich genug, dass dieses Von-Sich-Wissen auf etwas
das Vorstellen seiner selbst ist, so soll eben dieses Vor- stellen, als ein Erzeugen des Bildes, auch das Vorge- stellte, das Bild seyn. Die That soll selbst das Gethane, die Bedingung soll das Bedingte, der wirkliche Actus des Vorstellens soll das, als solches nichtige, Bild selber seyn! Will man der Strenge dieser, offenbar un- gereimten, Forderung sich entziehen? Wohlan! so ist das Object erstlich ein Reales für sich, und nun kommt zweytens das Subject mit einer Abspiegelung jenes Rea- len dazu. Da hat man das Ich entzweyet, und ist gerade in das vorhin gerügte Widersinnige des selbstbewuſsten Baumes verfallen. Es bleibt also dabey, daſs das Abge- spiegelte ohne alle Vermittelung der Spiegel selbst sey; daſs Ich Mich nur alsdann finde, wann das Vorstellen, anstatt von seinem Vorgestellten unterschieden zu wer- den, vielmehr eben als actives Vorstellen sein eignes Vor- gestelltes ist; folglich die Entgegengesetzten eben als Ent- gegengesetzte Einerley sind: — wobey denn alle jene Be- griffe, von der That und dem Gethanen, der Bedingung und dem Bedingten, dem Wirklichen und seinem Bilde, die nur in ihren Gegensätzen einen Sinn hatten, in Un- sinn übergehen müssen. Und die vorhin entwickelten unendlichen Reihen wiederhohlen diesen Unsinn ins Un- endliche. —
Wäre die Rede vom viereckigten Cirkel: so würde sich niemand über dessen Möglichkeit den Kopf zerbre- chen. Aber die Rede ist vom Ich, das wir jeden Augen- blick aussprechen; von uns selbst, so fern wir uns das Bewuſstseyn unsrer selbst zuschreiben. Die Frage ist, Wen wir eigentlich meinen, indem wir von uns reden? Und wenn wir diesen Wen gefunden hätten, was wir denn beginnen, indem wir ihm das Wissen von sich selbst beylegen? Er, der dieses Prädicat empfangen soll, muſs ohne Zweifel dafür empfänglich seyn. Er muſs also kein Ding an sich, er kann aber auch nicht das Von- Sich-Wissen selber seyn. Denn wir sehen nun endlich deutlich genug, daſs dieses Von-Sich-Wissen auf etwas
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das Vorstellen seiner selbst ist, so soll eben dieses Vor-
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stellte, das Bild seyn. Die That soll selbst das Gethane,
die Bedingung soll das Bedingte, der wirkliche Actus
des Vorstellens soll das, als solches nichtige, Bild
selber seyn! Will man der Strenge dieser, offenbar un-
gereimten, Forderung sich entziehen? Wohlan! so ist
das Object erstlich ein Reales für sich, und nun kommt
zweytens das Subject mit einer Abspiegelung jenes Rea-
len dazu. Da hat man das Ich entzweyet, und ist gerade
in das vorhin gerügte Widersinnige des selbstbewuſsten
Baumes verfallen. Es bleibt also dabey, daſs das Abge-
spiegelte ohne alle Vermittelung der Spiegel selbst sey;
daſs Ich Mich nur alsdann finde, wann das Vorstellen,
anstatt von seinem Vorgestellten unterschieden zu wer-
den, vielmehr eben als actives Vorstellen sein eignes Vor-
gestelltes ist; folglich die Entgegengesetzten eben als Ent-
gegengesetzte Einerley sind: — wobey denn alle jene Be-
griffe, von der That und dem Gethanen, der Bedingung
und dem Bedingten, dem Wirklichen und seinem Bilde,
die nur in ihren Gegensätzen einen Sinn hatten, in Un-
sinn übergehen müssen. Und die vorhin entwickelten
unendlichen Reihen wiederhohlen diesen Unsinn ins Un-
endliche. —
Wäre die Rede vom viereckigten Cirkel: so würde
sich niemand über dessen Möglichkeit den Kopf zerbre-
chen. Aber die Rede ist vom Ich, das wir jeden Augen-
blick aussprechen; von uns selbst, so fern wir uns das
Bewuſstseyn unsrer selbst zuschreiben. Die Frage ist,
Wen wir eigentlich meinen, indem wir von uns reden?
Und wenn wir diesen Wen gefunden hätten, was wir
denn beginnen, indem wir ihm das Wissen von sich
selbst beylegen? Er, der dieses Prädicat empfangen soll,
muſs ohne Zweifel dafür empfänglich seyn. Er muſs also
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/118>, abgerufen am 21.11.2024.
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