chung noch vor dem Beginn. Die Methode aber bezeich- net nun dem Denker die ersten Schritte, welche er, durch das Problem selbst getrieben, wird nehmen müssen; und dadurch erleichtert sie es, gleich Anfangs die rechte Bahn zu finden. Gesetzt jedoch, es käme ein Fall vor, wo die Methode sich aus irgend einem Grunde unbrauchbar zeigte bey einem Widerspruch, dessen Auflösbarkeit nicht bezweifelt werden könnte: was würde daraus folgen? Etwa dass die Methode falsch sey? Keinesweges! Sondern dieses, dass die ersten Schritte im Denken, welche man auf allen Fall versuchen musste, nicht hin- reichten; dass man vielmehr seinen Weg werde weiter fortsetzen müssen. Es könnte seyn (um die vorige zweyte Formel wieder zu gebrauchen), dass M in der That durch ein X, welches nicht gleich M wäre, modificirt werden müsste, um der Identität mit N zu entsprechen. Allein in diesem Falle wäre der gegebene Begriff kein Princip (und überdies im hohen Grade mangelhaft gegeben oder aufgefasst); weil er die fremden Bestimmungen des ein- zuführenden X nicht angeben, daher auch den Gang des Nachdenkens nicht leiten könnte. Der beste Rath be- stünde hier darin, eine solche Untersuchung, welche kei- nen bestimmten Weg finden könnte, so lange bey Seite zu setzen, bis aus andern erlangten Kenntnissen sich Hülfsbestimmungen darböten. Gewiss ist es der Fall, dass man oftmals Probleme zu früh ergreift, und sich Ge- genstände des Nachdenkens wählt, welche die nothwendi- gen Eigenschaften der Principien nicht besitzen.
§. 35.
Um die Vergleichung der verschiedenen Probleme, und ihrer Behandlung, zwar nicht Schritt für Schritt zu verfolgen (welches nun dem Leser kann überlassen wer- den), -- aber doch zu einer Uebersicht zu bringen, erin- nern wir an den berühmten Satz des zureichenden Grundes; welcher oft als Axiom aufgestellt, zuweilen auch mit Beweisen versehen worden ist, die aber fehler- haft waren. Leibniz trieb den Gebrauch dieses Satzes
chung noch vor dem Beginn. Die Methode aber bezeich- net nun dem Denker die ersten Schritte, welche er, durch das Problem selbst getrieben, wird nehmen müssen; und dadurch erleichtert sie es, gleich Anfangs die rechte Bahn zu finden. Gesetzt jedoch, es käme ein Fall vor, wo die Methode sich aus irgend einem Grunde unbrauchbar zeigte bey einem Widerspruch, dessen Auflösbarkeit nicht bezweifelt werden könnte: was würde daraus folgen? Etwa daſs die Methode falsch sey? Keinesweges! Sondern dieses, daſs die ersten Schritte im Denken, welche man auf allen Fall versuchen muſste, nicht hin- reichten; daſs man vielmehr seinen Weg werde weiter fortsetzen müssen. Es könnte seyn (um die vorige zweyte Formel wieder zu gebrauchen), daſs M in der That durch ein X, welches nicht gleich M wäre, modificirt werden müſste, um der Identität mit N zu entsprechen. Allein in diesem Falle wäre der gegebene Begriff kein Princip (und überdies im hohen Grade mangelhaft gegeben oder aufgefaſst); weil er die fremden Bestimmungen des ein- zuführenden X nicht angeben, daher auch den Gang des Nachdenkens nicht leiten könnte. Der beste Rath be- stünde hier darin, eine solche Untersuchung, welche kei- nen bestimmten Weg finden könnte, so lange bey Seite zu setzen, bis aus andern erlangten Kenntnissen sich Hülfsbestimmungen darböten. Gewiſs ist es der Fall, daſs man oftmals Probleme zu früh ergreift, und sich Ge- genstände des Nachdenkens wählt, welche die nothwendi- gen Eigenschaften der Principien nicht besitzen.
§. 35.
Um die Vergleichung der verschiedenen Probleme, und ihrer Behandlung, zwar nicht Schritt für Schritt zu verfolgen (welches nun dem Leser kann überlassen wer- den), — aber doch zu einer Uebersicht zu bringen, erin- nern wir an den berühmten Satz des zureichenden Grundes; welcher oft als Axiom aufgestellt, zuweilen auch mit Beweisen versehen worden ist, die aber fehler- haft waren. Leibniz trieb den Gebrauch dieses Satzes
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chung noch vor dem Beginn. Die Methode aber bezeich-
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dadurch erleichtert sie es, gleich Anfangs die rechte Bahn
zu finden. Gesetzt jedoch, es käme ein Fall vor, wo
die Methode sich aus irgend einem Grunde unbrauchbar
zeigte bey einem Widerspruch, dessen Auflösbarkeit nicht
bezweifelt werden könnte: was würde daraus folgen? Etwa
daſs die Methode falsch sey? Keinesweges! Sondern
dieses, daſs die ersten Schritte im Denken, welche
man auf allen Fall versuchen muſste, nicht hin-
reichten; daſs man vielmehr seinen Weg werde weiter
fortsetzen müssen. Es könnte seyn (um die vorige zweyte
Formel wieder zu gebrauchen), daſs M in der That durch
ein X, welches nicht gleich M wäre, modificirt werden
müſste, um der Identität mit N zu entsprechen. Allein
in diesem Falle wäre der gegebene Begriff kein Princip
(und überdies im hohen Grade mangelhaft gegeben oder
aufgefaſst); weil er die fremden Bestimmungen des ein-
zuführenden X nicht angeben, daher auch den Gang des
Nachdenkens nicht leiten könnte. Der beste Rath be-
stünde hier darin, eine solche Untersuchung, welche kei-
nen bestimmten Weg finden könnte, so lange bey Seite
zu setzen, bis aus andern erlangten Kenntnissen sich
Hülfsbestimmungen darböten. Gewiſs ist es der Fall,
daſs man oftmals Probleme zu früh ergreift, und sich Ge-
genstände des Nachdenkens wählt, welche die nothwendi-
gen Eigenschaften der Principien nicht besitzen.
§. 35.
Um die Vergleichung der verschiedenen Probleme,
und ihrer Behandlung, zwar nicht Schritt für Schritt zu
verfolgen (welches nun dem Leser kann überlassen wer-
den), — aber doch zu einer Uebersicht zu bringen, erin-
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/155>, abgerufen am 21.11.2024.
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