folgenden bestimmen muss, ist die Einheit der Seele. Darum, weil die Vorstellungen alle in Einem Vorstellen- den als Thätigkeiten (Selbsterhaltungen) desselben bey- sammen sind, müssen sie Ein intensives Thun ausmachen, sofern sie nicht entgegengesetzt und nicht gehemmt sind. Eben darum auch müssen sie sich hemmen, in so weit ihr Gegensatz es mit sich bringt. Weder unangefoch- ten, noch unvereinigt können sie bleiben; das erste haben wir bisher betrachtet, das zweyte müssen wir jetzt suchen, allmählig in seinen nähern Bestimmungen ken- nen zu lernen. Eben dadurch werden wir die abstracten Voraussetzungen mehr und mehr dem Wirklichen anzu- passen im Stande seyn.
Zuerst muss hier hingewiesen werden auf die ver- schiedenen Continua, welche durch ganze Classen von Vorstellungen gebildet werden. Die sämmtlichen Farben ergeben Ein Continuum, die Gestalten ein anderes; die Töne machen ein drittes; die Vocale ein viertes, selbst die Consonanten können wenigstens zusammengestellt werden; an Gerüche, Geschmäcke, Gefühle ist kaum noch nöthig zu erinnern. Auch lehrt die Erfahrung, dass zwar verschiedene Vorstellungen aus Einem Continuum einan- der entgegengesetzt sind, aber nicht Vorstellungen aus verschiedenen Continuen. Die Farbe hemmt nicht die Vorstellung des Hörbaren, vielmehr das hörbare Wort, die sichtbare Schrift, und ein von beyden ganz verschie- dener Gedanke, der aus mancherley, durch verschiedene Sinne wahrgenommenen Eigenschaften irgend eines Dinges zusammengesetzt ist, alles dies tritt in eine Verbindung, die unerklärlich wäre, wenn die grossen Verschiedenhei- ten so heterogener Vorstellungen für hemmende Gegen- sätze zu halten wären.
Aus dieser Erfahrung, deren genauere Prüfung und gehörige Beschränkung nicht dieses Orts ist, wollen wir hier bloss den, schon a priori wenigstens möglichen, Ge- danken herausheben, dass es mehrere Continuen von Vor-
folgenden bestimmen muſs, ist die Einheit der Seele. Darum, weil die Vorstellungen alle in Einem Vorstellen- den als Thätigkeiten (Selbsterhaltungen) desselben bey- sammen sind, müssen sie Ein intensives Thun ausmachen, sofern sie nicht entgegengesetzt und nicht gehemmt sind. Eben darum auch müssen sie sich hemmen, in so weit ihr Gegensatz es mit sich bringt. Weder unangefoch- ten, noch unvereinigt können sie bleiben; das erste haben wir bisher betrachtet, das zweyte müssen wir jetzt suchen, allmählig in seinen nähern Bestimmungen ken- nen zu lernen. Eben dadurch werden wir die abstracten Voraussetzungen mehr und mehr dem Wirklichen anzu- passen im Stande seyn.
Zuerst muſs hier hingewiesen werden auf die ver- schiedenen Continua, welche durch ganze Classen von Vorstellungen gebildet werden. Die sämmtlichen Farben ergeben Ein Continuum, die Gestalten ein anderes; die Töne machen ein drittes; die Vocale ein viertes, selbst die Consonanten können wenigstens zusammengestellt werden; an Gerüche, Geschmäcke, Gefühle ist kaum noch nöthig zu erinnern. Auch lehrt die Erfahrung, daſs zwar verschiedene Vorstellungen aus Einem Continuum einan- der entgegengesetzt sind, aber nicht Vorstellungen aus verschiedenen Continuen. Die Farbe hemmt nicht die Vorstellung des Hörbaren, vielmehr das hörbare Wort, die sichtbare Schrift, und ein von beyden ganz verschie- dener Gedanke, der aus mancherley, durch verschiedene Sinne wahrgenommenen Eigenschaften irgend eines Dinges zusammengesetzt ist, alles dies tritt in eine Verbindung, die unerklärlich wäre, wenn die groſsen Verschiedenhei- ten so heterogener Vorstellungen für hemmende Gegen- sätze zu halten wären.
Aus dieser Erfahrung, deren genauere Prüfung und gehörige Beschränkung nicht dieses Orts ist, wollen wir hier bloſs den, schon a priori wenigstens möglichen, Ge- danken herausheben, daſs es mehrere Continuen von Vor-
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folgenden bestimmen muſs, ist die Einheit der Seele.
Darum, weil die Vorstellungen alle in Einem Vorstellen-
den als Thätigkeiten (Selbsterhaltungen) desselben bey-
sammen sind, müssen sie Ein intensives Thun ausmachen,
sofern sie nicht entgegengesetzt und nicht gehemmt sind.
Eben darum auch müssen sie sich hemmen, in so weit
ihr Gegensatz es mit sich bringt. Weder unangefoch-
ten, noch unvereinigt können sie bleiben; das erste
haben wir bisher betrachtet, das zweyte müssen wir jetzt
suchen, allmählig in seinen nähern Bestimmungen ken-
nen zu lernen. Eben dadurch werden wir die abstracten
Voraussetzungen mehr und mehr dem Wirklichen anzu-
passen im Stande seyn.
Zuerst muſs hier hingewiesen werden auf die ver-
schiedenen Continua, welche durch ganze Classen von
Vorstellungen gebildet werden. Die sämmtlichen Farben
ergeben Ein Continuum, die Gestalten ein anderes; die
Töne machen ein drittes; die Vocale ein viertes, selbst
die Consonanten können wenigstens zusammengestellt
werden; an Gerüche, Geschmäcke, Gefühle ist kaum noch
nöthig zu erinnern. Auch lehrt die Erfahrung, daſs zwar
verschiedene Vorstellungen aus Einem Continuum einan-
der entgegengesetzt sind, aber nicht Vorstellungen aus
verschiedenen Continuen. Die Farbe hemmt nicht die
Vorstellung des Hörbaren, vielmehr das hörbare Wort,
die sichtbare Schrift, und ein von beyden ganz verschie-
dener Gedanke, der aus mancherley, durch verschiedene
Sinne wahrgenommenen Eigenschaften irgend eines Dinges
zusammengesetzt ist, alles dies tritt in eine Verbindung,
die unerklärlich wäre, wenn die groſsen Verschiedenhei-
ten so heterogener Vorstellungen für hemmende Gegen-
sätze zu halten wären.
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/218>, abgerufen am 23.11.2024.
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