bekommen; und dass, indem aus neuen Verbindungen stets neue Gesammtkräfte entstehn, auch die Gleichge- wichts-Puncte, wohin das ganze System sich neigt, stets verrückt werden, folglich die Bewegung nie zur Ruhe komme, sondern in immer neuen Richtungen fortlaufe. Doch dies letzte ist noch nicht verständlich genug; wir sind jetzt im Begriff, die Gründe davon anzuzeigen.
Man gehe zurück ins vierte Capitel, von der mittel- baren Reproduction. Dort haben wir (§. 88.) den gro- ssen Hauptsatz gefunden, aus welchem sich der Ursprung der Reihenbildung in den Vorstellungen erklärt.
Nun sey nicht bloss, wie dort, eine Vorstellung P mit verschiedenen P, P', P", u. s. w. verschmolzen: son- dern es sey a mit b, c, d, e, ... und eben so b mit c, d, e, ... und gleichfalls c mit d, e, ... u. s. w. verschmol- zen: so wird das dort (a. a. O.) gefundene Gesetz der Reproduction nicht bloss einmal, sondern so vielemal zur Anwendung kommen, als wie viele Vorstellungen zu der Reihe gehören. Dies wird sich vollständiger entwickeln lassen, wenn wir erst die beyden Bedingungen erwägen, unter denen sich eine solche Reihe bilden kann. Die eine hängt von der Zeit ab, die andre von der Qualität der Vorstellungen.
1) Wenn zuerst a, dann gleich darauf b gegeben (durch Wahrnehmung producirt) wird: so wird zuvör- derst a sogleich von der Hemmung durch andre, eben vorhandene, ihm entgegengesetzte Vorstellungen ergriffen. Hiedurch sinke es bis auf den Rest r; jetzt trete b hin- zu; so verschmilzt b mit dem Reste r von a (wir wollen nämlich hier die Hemmung zwischen a und b bey Seite setzen; denn wenn auch eine solche vorhanden ist, so wird dadurch nur die Grösse r um etwas vermindert, und auch b verschmilzt dann nicht ganz mit r; dadurch wird die Sache nicht wesentlich verändert, sondern erhält nur eine leichte Modification). Es sinke weiter sowohl a bis auf den Rest r', als b bis auf den Rest R; jetzt komme c hinzu; so verschmilzt das ganze c mit r' und R. Nun
bekommen; und daſs, indem aus neuen Verbindungen stets neue Gesammtkräfte entstehn, auch die Gleichge- wichts-Puncte, wohin das ganze System sich neigt, stets verrückt werden, folglich die Bewegung nie zur Ruhe komme, sondern in immer neuen Richtungen fortlaufe. Doch dies letzte ist noch nicht verständlich genug; wir sind jetzt im Begriff, die Gründe davon anzuzeigen.
Man gehe zurück ins vierte Capitel, von der mittel- baren Reproduction. Dort haben wir (§. 88.) den gro- ſsen Hauptsatz gefunden, aus welchem sich der Ursprung der Reihenbildung in den Vorstellungen erklärt.
Nun sey nicht bloſs, wie dort, eine Vorstellung P mit verschiedenen Π, Π', Π″, u. s. w. verschmolzen: son- dern es sey a mit b, c, d, e, … und eben so b mit c, d, e, … und gleichfalls c mit d, e, … u. s. w. verschmol- zen: so wird das dort (a. a. O.) gefundene Gesetz der Reproduction nicht bloſs einmal, sondern so vielemal zur Anwendung kommen, als wie viele Vorstellungen zu der Reihe gehören. Dies wird sich vollständiger entwickeln lassen, wenn wir erst die beyden Bedingungen erwägen, unter denen sich eine solche Reihe bilden kann. Die eine hängt von der Zeit ab, die andre von der Qualität der Vorstellungen.
1) Wenn zuerst a, dann gleich darauf b gegeben (durch Wahrnehmung producirt) wird: so wird zuvör- derst a sogleich von der Hemmung durch andre, eben vorhandene, ihm entgegengesetzte Vorstellungen ergriffen. Hiedurch sinke es bis auf den Rest r; jetzt trete b hin- zu; so verschmilzt b mit dem Reste r von a (wir wollen nämlich hier die Hemmung zwischen a und b bey Seite setzen; denn wenn auch eine solche vorhanden ist, so wird dadurch nur die Gröſse r um etwas vermindert, und auch b verschmilzt dann nicht ganz mit r; dadurch wird die Sache nicht wesentlich verändert, sondern erhält nur eine leichte Modification). Es sinke weiter sowohl a bis auf den Rest r', als b bis auf den Rest R; jetzt komme c hinzu; so verschmilzt das ganze c mit r' und R. Nun
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bekommen; und daſs, indem aus neuen Verbindungen
stets neue Gesammtkräfte entstehn, auch die Gleichge-
wichts-Puncte, wohin das ganze System sich neigt, stets
verrückt werden, folglich die Bewegung nie zur Ruhe
komme, sondern in immer neuen Richtungen fortlaufe.
Doch dies letzte ist noch nicht verständlich genug; wir
sind jetzt im Begriff, die Gründe davon anzuzeigen.
Man gehe zurück ins vierte Capitel, von der mittel-
baren Reproduction. Dort haben wir (§. 88.) den gro-
ſsen Hauptsatz gefunden, aus welchem sich der Ursprung
der Reihenbildung in den Vorstellungen erklärt.
Nun sey nicht bloſs, wie dort, eine Vorstellung P
mit verschiedenen Π, Π', Π″, u. s. w. verschmolzen: son-
dern es sey a mit b, c, d, e, … und eben so b mit c,
d, e, … und gleichfalls c mit d, e, … u. s. w. verschmol-
zen: so wird das dort (a. a. O.) gefundene Gesetz der
Reproduction nicht bloſs einmal, sondern so vielemal zur
Anwendung kommen, als wie viele Vorstellungen zu der
Reihe gehören. Dies wird sich vollständiger entwickeln
lassen, wenn wir erst die beyden Bedingungen erwägen,
unter denen sich eine solche Reihe bilden kann. Die
eine hängt von der Zeit ab, die andre von der Qualität
der Vorstellungen.
1) Wenn zuerst a, dann gleich darauf b gegeben
(durch Wahrnehmung producirt) wird: so wird zuvör-
derst a sogleich von der Hemmung durch andre, eben
vorhandene, ihm entgegengesetzte Vorstellungen ergriffen.
Hiedurch sinke es bis auf den Rest r; jetzt trete b hin-
zu; so verschmilzt b mit dem Reste r von a (wir wollen
nämlich hier die Hemmung zwischen a und b bey Seite
setzen; denn wenn auch eine solche vorhanden ist, so
wird dadurch nur die Gröſse r um etwas vermindert, und
auch b verschmilzt dann nicht ganz mit r; dadurch wird
die Sache nicht wesentlich verändert, sondern erhält nur
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auf den Rest r', als b bis auf den Rest R; jetzt komme
c hinzu; so verschmilzt das ganze c mit r' und R. Nun
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/370>, abgerufen am 22.11.2024.
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