rücklegt, und warum man anderes hervorhebt. Die Re- flexion hält gerade diejenigen Begriffe vest, unter welchen gewisse merkwürdige Relationen statt finden; und nach- dem dieselben untersucht sind, steht es der Determina- tion frey, die gesetzmässige Anwendung davon auf den Umfang der Begriffe zu machen. -- In der Psychologie sind dagegen unsre Aussagen von dem innerlich Wahr- genommenen schon unwillkührlich Abstractionen, ehe wir es wissen, und sie werden es noch immer mehr, je be- stimmter wir uns darüber erklären wollen.
Sie sind schon Abstractionen, ehe wir es wissen. Denn die genaue Bestimmung des Fliessenden unserer Zustände (durch Ordinaten, zu denen die Zeit als Ab- scissenlinie gehören würde,) fehlt schon, indem wir die- selben zum Object unsers Vorstellens machen. Sie ver- liert sich immer mehr, je länger wir die Erinnerung an ein innerlich Wahrgenommenes aufbehalten wollen. Sie verfälscht sich, je mehr wir uns anstrengen, sie vest zu halten; denn eben dadurch mischt sie sich mit dem übri- gen Vorrathe unserer verwandten Vorstellungen.
Aber auch je bestimmter wir uns darüber erklären wollen, desto weiter kommen wir ab von der Wahrheit dessen, was eigentlich wahrgenommen wurde, und desto tiefer gerathen wir in die Abstractionen hinein. Aus ei- nem zwiefachen Grunde.
Erstlich, je mehr wir uns bemühen, recht getreu- lich nur Das zu berichten, was wir erfahren haben: de- sto lieber verschweigen wir Alles was wir nicht genau bemerkten, was wir nicht gewiss verbürgen können; wir heben demnach nur das Gewisseste heraus. Daher las- sen wir in der Erinnerung an die inneren Wahrnehmun- gen absichtlich los von dem, dessen Schwankung wir füh- len, dessen bestimmte Angabe wir nicht zu erreichen hof- fen. Was wir übrig behalten, ist ein Abstractum. -- Dies Verfahren herrscht sichtbar in allen Psychologien. Die Verfasser derselben sprechen z. B. recht gern vom Gedächtniss; denn dass es überhaupt ein solches gebe,
rücklegt, und warum man anderes hervorhebt. Die Re- flexion hält gerade diejenigen Begriffe vest, unter welchen gewisse merkwürdige Relationen statt finden; und nach- dem dieselben untersucht sind, steht es der Determina- tion frey, die gesetzmäſsige Anwendung davon auf den Umfang der Begriffe zu machen. — In der Psychologie sind dagegen unsre Aussagen von dem innerlich Wahr- genommenen schon unwillkührlich Abstractionen, ehe wir es wissen, und sie werden es noch immer mehr, je be- stimmter wir uns darüber erklären wollen.
Sie sind schon Abstractionen, ehe wir es wissen. Denn die genaue Bestimmung des Flieſsenden unserer Zustände (durch Ordinaten, zu denen die Zeit als Ab- scissenlinie gehören würde,) fehlt schon, indem wir die- selben zum Object unsers Vorstellens machen. Sie ver- liert sich immer mehr, je länger wir die Erinnerung an ein innerlich Wahrgenommenes aufbehalten wollen. Sie verfälscht sich, je mehr wir uns anstrengen, sie vest zu halten; denn eben dadurch mischt sie sich mit dem übri- gen Vorrathe unserer verwandten Vorstellungen.
Aber auch je bestimmter wir uns darüber erklären wollen, desto weiter kommen wir ab von der Wahrheit dessen, was eigentlich wahrgenommen wurde, und desto tiefer gerathen wir in die Abstractionen hinein. Aus ei- nem zwiefachen Grunde.
Erstlich, je mehr wir uns bemühen, recht getreu- lich nur Das zu berichten, was wir erfahren haben: de- sto lieber verschweigen wir Alles was wir nicht genau bemerkten, was wir nicht gewiſs verbürgen können; wir heben demnach nur das Gewisseste heraus. Daher las- sen wir in der Erinnerung an die inneren Wahrnehmun- gen absichtlich los von dem, dessen Schwankung wir füh- len, dessen bestimmte Angabe wir nicht zu erreichen hof- fen. Was wir übrig behalten, ist ein Abstractum. — Dies Verfahren herrscht sichtbar in allen Psychologien. Die Verfasser derselben sprechen z. B. recht gern vom Gedächtniſs; denn daſs es überhaupt ein solches gebe,
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rücklegt, und warum man anderes hervorhebt. Die Re-
flexion hält gerade diejenigen Begriffe vest, unter welchen
gewisse merkwürdige Relationen statt finden; und nach-
dem dieselben untersucht sind, steht es der Determina-
tion frey, die gesetzmäſsige Anwendung davon auf den
Umfang der Begriffe zu machen. — In der Psychologie
sind dagegen unsre Aussagen von dem innerlich Wahr-
genommenen schon unwillkührlich Abstractionen, ehe wir
es wissen, und sie werden es noch immer mehr, je be-
stimmter wir uns darüber erklären wollen.
Sie sind schon Abstractionen, ehe wir es wissen.
Denn die genaue Bestimmung des Flieſsenden unserer
Zustände (durch Ordinaten, zu denen die Zeit als Ab-
scissenlinie gehören würde,) fehlt schon, indem wir die-
selben zum Object unsers Vorstellens machen. Sie ver-
liert sich immer mehr, je länger wir die Erinnerung an
ein innerlich Wahrgenommenes aufbehalten wollen. Sie
verfälscht sich, je mehr wir uns anstrengen, sie vest zu
halten; denn eben dadurch mischt sie sich mit dem übri-
gen Vorrathe unserer verwandten Vorstellungen.
Aber auch je bestimmter wir uns darüber erklären
wollen, desto weiter kommen wir ab von der Wahrheit
dessen, was eigentlich wahrgenommen wurde, und desto
tiefer gerathen wir in die Abstractionen hinein. Aus ei-
nem zwiefachen Grunde.
Erstlich, je mehr wir uns bemühen, recht getreu-
lich nur Das zu berichten, was wir erfahren haben: de-
sto lieber verschweigen wir Alles was wir nicht genau
bemerkten, was wir nicht gewiſs verbürgen können; wir
heben demnach nur das Gewisseste heraus. Daher las-
sen wir in der Erinnerung an die inneren Wahrnehmun-
gen absichtlich los von dem, dessen Schwankung wir füh-
len, dessen bestimmte Angabe wir nicht zu erreichen hof-
fen. Was wir übrig behalten, ist ein Abstractum. —
Dies Verfahren herrscht sichtbar in allen Psychologien.
Die Verfasser derselben sprechen z. B. recht gern vom
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 1. Königsberg, 1824, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie01_1824/40>, abgerufen am 09.11.2024.
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