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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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Dieser Unterschied ist kein Unterschied für das Vorstel-
len; vielmehr das Vorgestellte hat im einen und im an-
dern Falle die gleiche Klarheit. Dennoch ist dieser Un-
terschied für das Bewusstseyn vorhanden, denn er be-
trifft die Vorstellung gerade in wie fern sie wacht, und
nicht gehemmt ist. Mit welchem Namen sollen wir nun
die letztere Bestimmung des Bewusstseyns, da ein Vor-
stellen zwischen entgegenwirkenden Kräften eingepresst
schwebt, benennen, zum Unterschiede von jener ersten
Bestimmung, da dasselbe, nicht hellere und nicht dunk-
lere Vorstellen, vorhanden ist, ohne eine Gewalt zu er-
leiden? Wie anders werden wir den gepressten Zustand
bezeichnen, als durch den Namen eines mit der Vorstel-
lung verbundenen Gefühls?

2) Wenn eine Vorstellung steigt: so ist ein Unter-
schied, ob sie sich selbst überlassen steige, (etwa nach
dem Gesetze des §. 81.) oder ob ihr in diesem Steigen
ein Hinderniss begegnet, das nur nicht völlig stark genug
ist, ihr das Steigen gänzlich zu verwehren; oder ob noch
antreibende, vielleicht auch nur begünstigende Kräfte
(nach §. 87.) mitwirken. Die nähern Modificationen hie-
von können sehr mannigfaltig seyn, wie schon die obi-
gen, zur Mechanik des Geistes gehörigen Untersuchun-
gen deutlich genug zeigen. Auch diese Unterschiede
können nicht unbewusst bleiben, denn sie betreffen das
wirkliche Vorstellen. Aber sie sind nicht Gegenstände
des Vorstellens, sondern Arten und Weisen, wie das
Vorstellen sich ereignet; diese Bestimmungen des Be-
wusstseyns, in so fern sie über das blosse Vorstellen hin-
ausgehn, können nur Gefühle heissen. Dabey nun sind
sie die Begleiter aufstrebender, und eben deshalb
wirksamer Vorstellungen, es verbinden sich also mit
den schon erwähnten Bestimmungen des Bewusstseyns
noch Wirkungen und Abänderungen theils in andern
Vorstellungen und Gefühlen, theils vielleicht in der
Wahrnehmung, wenn nämlich ein äusseres Handeln,
also eine Thätigkeit des Organismus nach physiologi-

Dieser Unterschied ist kein Unterschied für das Vorstel-
len; vielmehr das Vorgestellte hat im einen und im an-
dern Falle die gleiche Klarheit. Dennoch ist dieser Un-
terschied für das Bewuſstseyn vorhanden, denn er be-
trifft die Vorstellung gerade in wie fern sie wacht, und
nicht gehemmt ist. Mit welchem Namen sollen wir nun
die letztere Bestimmung des Bewuſstseyns, da ein Vor-
stellen zwischen entgegenwirkenden Kräften eingepreſst
schwebt, benennen, zum Unterschiede von jener ersten
Bestimmung, da dasselbe, nicht hellere und nicht dunk-
lere Vorstellen, vorhanden ist, ohne eine Gewalt zu er-
leiden? Wie anders werden wir den gepreſsten Zustand
bezeichnen, als durch den Namen eines mit der Vorstel-
lung verbundenen Gefühls?

2) Wenn eine Vorstellung steigt: so ist ein Unter-
schied, ob sie sich selbst überlassen steige, (etwa nach
dem Gesetze des §. 81.) oder ob ihr in diesem Steigen
ein Hinderniſs begegnet, das nur nicht völlig stark genug
ist, ihr das Steigen gänzlich zu verwehren; oder ob noch
antreibende, vielleicht auch nur begünstigende Kräfte
(nach §. 87.) mitwirken. Die nähern Modificationen hie-
von können sehr mannigfaltig seyn, wie schon die obi-
gen, zur Mechanik des Geistes gehörigen Untersuchun-
gen deutlich genug zeigen. Auch diese Unterschiede
können nicht unbewuſst bleiben, denn sie betreffen das
wirkliche Vorstellen. Aber sie sind nicht Gegenstände
des Vorstellens, sondern Arten und Weisen, wie das
Vorstellen sich ereignet; diese Bestimmungen des Be-
wuſstseyns, in so fern sie über das bloſse Vorstellen hin-
ausgehn, können nur Gefühle heiſsen. Dabey nun sind
sie die Begleiter aufstrebender, und eben deshalb
wirksamer Vorstellungen, es verbinden sich also mit
den schon erwähnten Bestimmungen des Bewuſstseyns
noch Wirkungen und Abänderungen theils in andern
Vorstellungen und Gefühlen, theils vielleicht in der
Wahrnehmung, wenn nämlich ein äuſseres Handeln,
also eine Thätigkeit des Organismus nach physiologi-

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[72/0107] Dieser Unterschied ist kein Unterschied für das Vorstel- len; vielmehr das Vorgestellte hat im einen und im an- dern Falle die gleiche Klarheit. Dennoch ist dieser Un- terschied für das Bewuſstseyn vorhanden, denn er be- trifft die Vorstellung gerade in wie fern sie wacht, und nicht gehemmt ist. Mit welchem Namen sollen wir nun die letztere Bestimmung des Bewuſstseyns, da ein Vor- stellen zwischen entgegenwirkenden Kräften eingepreſst schwebt, benennen, zum Unterschiede von jener ersten Bestimmung, da dasselbe, nicht hellere und nicht dunk- lere Vorstellen, vorhanden ist, ohne eine Gewalt zu er- leiden? Wie anders werden wir den gepreſsten Zustand bezeichnen, als durch den Namen eines mit der Vorstel- lung verbundenen Gefühls? 2) Wenn eine Vorstellung steigt: so ist ein Unter- schied, ob sie sich selbst überlassen steige, (etwa nach dem Gesetze des §. 81.) oder ob ihr in diesem Steigen ein Hinderniſs begegnet, das nur nicht völlig stark genug ist, ihr das Steigen gänzlich zu verwehren; oder ob noch antreibende, vielleicht auch nur begünstigende Kräfte (nach §. 87.) mitwirken. Die nähern Modificationen hie- von können sehr mannigfaltig seyn, wie schon die obi- gen, zur Mechanik des Geistes gehörigen Untersuchun- gen deutlich genug zeigen. Auch diese Unterschiede können nicht unbewuſst bleiben, denn sie betreffen das wirkliche Vorstellen. Aber sie sind nicht Gegenstände des Vorstellens, sondern Arten und Weisen, wie das Vorstellen sich ereignet; diese Bestimmungen des Be- wuſstseyns, in so fern sie über das bloſse Vorstellen hin- ausgehn, können nur Gefühle heiſsen. Dabey nun sind sie die Begleiter aufstrebender, und eben deshalb wirksamer Vorstellungen, es verbinden sich also mit den schon erwähnten Bestimmungen des Bewuſstseyns noch Wirkungen und Abänderungen theils in andern Vorstellungen und Gefühlen, theils vielleicht in der Wahrnehmung, wenn nämlich ein äuſseres Handeln, also eine Thätigkeit des Organismus nach physiologi-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/107>, abgerufen am 21.11.2024.