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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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Locke sich Spuren finden, nämlich in den Meinungen,
die er anführt, um sie zu bestreiten, wie im dritten Ca-
pitel des dritten Buchs, wo er klagt: the former of these
opinions, which supposes these essences, as a certain
number of forms or molds, wherein all natural things,
that exist, are cast, and do equally partake, has, I ima-
gine, very much perplexed the knowledge of natural things
.
Locke selbst aber, mit seiner real and nominal essence,
unterwirft sich dem Misbrauche des Wortes, den er in
folgenden Ausdrücken rügt: the learning and disputes of
the schools having been much busied about genus and
species, the word essence has almost lost its primary
signification, and instead of the real constitution of things,
has been almost wholly applied to the artificial constitu-
tion of genus and species
. -- Auch der alte Satz: essen-
tiae rerum sunt immutabiles
, gehört hieher. Er bedeutet
nichts anderes, als: die Begriffe sind etwas völlig
Unzeitliches
; welches von ihnen in allen ihren logi-
schen Verhältnissen wahr ist, daher auch die aus ihnen
gebildeten wissenschaftlichen Sätze und Schlüsse für die
Alten so wie für uns, -- und am Himmel wie auf Er-
den, -- wahr sind und bleiben.

Aber die Begriffe in diesem Sinne, in welchem sie
ein gemeinschaftliches Wissen für alle Menschen und
Zeiten darbieten, sind gar Nichts psychologisches. Im
Gegentheil, wir werden in Hinsicht der allgemeinen
Begriffe bald erkennen, dass der Zustand eines
Menschen, in welchem das Gedachte scines in-
dividuellen Denkens ein Gattungs- oder Art-
Begriff im strengsten Sinne seyn würde, etwas
idealisches ist, welches niemals vollkommen zu
erreichen steht
. Doch wir müssen die Allgemeinheit,
welche einigen Begriffen zukommt, für jetzt noch ganz
bey Seite lassen.

In psychologischer Hinsicht ist ein Begriff diejenige
Vorstellung, welche den Begriff in logischer Bedeutung,
zu ihrem Vorgestellten hat; oder, durch welche der letz-

tere

Locke sich Spuren finden, nämlich in den Meinungen,
die er anführt, um sie zu bestreiten, wie im dritten Ca-
pitel des dritten Buchs, wo er klagt: the former of theſe
opinions, which ſuppoſes theſe eſſences, as a certain
number of forms or molds, wherein all natural things,
that exiſt, are caſt, and do equally partake, has, I ima-
gine, very much perplexed the knowledge of natural things
.
Locke selbst aber, mit seiner real and nominal eſſence,
unterwirft sich dem Misbrauche des Wortes, den er in
folgenden Ausdrücken rügt: the learning and diſputes of
the ſchools having been much buſied about genus and
ſpecies, the word eſſence has almoſt loſt its primary
ſignification, and inſtead of the real conſtitution of things,
has been almoſt wholly applied to the artificial conſtitu-
tion of genus and ſpecies
. — Auch der alte Satz: eſſen-
tiae rerum ſunt immutabiles
, gehört hieher. Er bedeutet
nichts anderes, als: die Begriffe sind etwas völlig
Unzeitliches
; welches von ihnen in allen ihren logi-
schen Verhältnissen wahr ist, daher auch die aus ihnen
gebildeten wissenschaftlichen Sätze und Schlüsse für die
Alten so wie für uns, — und am Himmel wie auf Er-
den, — wahr sind und bleiben.

Aber die Begriffe in diesem Sinne, in welchem sie
ein gemeinschaftliches Wissen für alle Menschen und
Zeiten darbieten, sind gar Nichts psychologisches. Im
Gegentheil, wir werden in Hinsicht der allgemeinen
Begriffe bald erkennen, daſs der Zustand eines
Menschen, in welchem das Gedachte scines in-
dividuellen Denkens ein Gattungs- oder Art-
Begriff im strengsten Sinne seyn würde, etwas
idealisches ist, welches niemals vollkommen zu
erreichen steht
. Doch wir müssen die Allgemeinheit,
welche einigen Begriffen zukommt, für jetzt noch ganz
bey Seite lassen.

In psychologischer Hinsicht ist ein Begriff diejenige
Vorstellung, welche den Begriff in logischer Bedeutung,
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[176/0211] Locke sich Spuren finden, nämlich in den Meinungen, die er anführt, um sie zu bestreiten, wie im dritten Ca- pitel des dritten Buchs, wo er klagt: the former of theſe opinions, which ſuppoſes theſe eſſences, as a certain number of forms or molds, wherein all natural things, that exiſt, are caſt, and do equally partake, has, I ima- gine, very much perplexed the knowledge of natural things. Locke selbst aber, mit seiner real and nominal eſſence, unterwirft sich dem Misbrauche des Wortes, den er in folgenden Ausdrücken rügt: the learning and diſputes of the ſchools having been much buſied about genus and ſpecies, the word eſſence has almoſt loſt its primary ſignification, and inſtead of the real conſtitution of things, has been almoſt wholly applied to the artificial conſtitu- tion of genus and ſpecies. — Auch der alte Satz: eſſen- tiae rerum ſunt immutabiles, gehört hieher. Er bedeutet nichts anderes, als: die Begriffe sind etwas völlig Unzeitliches; welches von ihnen in allen ihren logi- schen Verhältnissen wahr ist, daher auch die aus ihnen gebildeten wissenschaftlichen Sätze und Schlüsse für die Alten so wie für uns, — und am Himmel wie auf Er- den, — wahr sind und bleiben. Aber die Begriffe in diesem Sinne, in welchem sie ein gemeinschaftliches Wissen für alle Menschen und Zeiten darbieten, sind gar Nichts psychologisches. Im Gegentheil, wir werden in Hinsicht der allgemeinen Begriffe bald erkennen, daſs der Zustand eines Menschen, in welchem das Gedachte scines in- dividuellen Denkens ein Gattungs- oder Art- Begriff im strengsten Sinne seyn würde, etwas idealisches ist, welches niemals vollkommen zu erreichen steht. Doch wir müssen die Allgemeinheit, welche einigen Begriffen zukommt, für jetzt noch ganz bey Seite lassen. In psychologischer Hinsicht ist ein Begriff diejenige Vorstellung, welche den Begriff in logischer Bedeutung, zu ihrem Vorgestellten hat; oder, durch welche der letz- tere

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/211>, abgerufen am 23.11.2024.