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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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Anmerkung.

Kants Lehre von der Causalität, -- obgleich auf
der Kehrseite der sogenannten kritischen Philosophie der
allerdunkelste Flecken, -- möchte dennoch, wie so
Manches, vor mir in gutem Frieden ruhen: wenn nicht
dieser Irrthum in der ungeheuersten Uebertreibung noch
heute verderblich fortwirkte. Der Punct, den ich vor-
zugsweise im Auge habe, ist die vorgebliche Wechsel-
wirkung aller Substanzen im Raume. Diese hat unsre
Zeit in den Spinozismus zurückgestürzt, gegen welchen
die heutigen Kantianer einen ganz unnützen Streit füh-
ren, so lange sie selbst die Fesseln einer Lehrmeinung
tragen, die, speculativ betrachtet, durchaus grundlos und
gehaltlos ist. Was für Früchte dieselbe den heutigen
Magnetiseurs gebracht habe, die hoffentlich nächstens
durch ihren berühmten starken Willen den Sirius an
die Stelle unserer Sonne zaubern werden! -- das weiss
Jedermann. -- Und wenn die heutigen Schulen bemer-
ken, dass sie es eigentlich sind, die ich hier indirect zu
bestreiten im Begriff stehe, indem ich eine der ältesten
Wurzeln ihres Irrthums bloss lege: so mögen sie sich
nur nicht über den Vorzug wundern, welchen ich hier
dem indirecten Angriff vor dem directen einräume. Selbst
unter dem Unrichtigen und Verfehlten giebt es eine
Wahl; das Ursprüngliche ist merkwürdiger als das Ab-
geleitete, und mit dem Verständigsten mag ich mich am
liebsten beschäfftigen.

Der allgemeinste Fehler Kants in der Lehre von der
Causalität ist das, worauf er sich am meisten zu Gute
thut; die Meinung, eine eigentlich und wahrhaft meta-
physische Untersuchung über den ächten Sinn und Grund
des Causalbegriffs, ganz beseitigt; und an deren
Stelle
eine, für sich allein zureichende Nachfrage dar-
über angestellt zu haben, wie wir in der Mitte unserer
Erfahrung und Physik dazu kommen, den genannten Be-
griff anzuwenden. -- Beydes war nöthig, sowohl diese
psychologische, als jene metaphysische Untersuchung;

Anmerkung.

Kants Lehre von der Causalität, — obgleich auf
der Kehrseite der sogenannten kritischen Philosophie der
allerdunkelste Flecken, — möchte dennoch, wie so
Manches, vor mir in gutem Frieden ruhen: wenn nicht
dieser Irrthum in der ungeheuersten Uebertreibung noch
heute verderblich fortwirkte. Der Punct, den ich vor-
zugsweise im Auge habe, ist die vorgebliche Wechsel-
wirkung aller Substanzen im Raume. Diese hat unsre
Zeit in den Spinozismus zurückgestürzt, gegen welchen
die heutigen Kantianer einen ganz unnützen Streit füh-
ren, so lange sie selbst die Fesseln einer Lehrmeinung
tragen, die, speculativ betrachtet, durchaus grundlos und
gehaltlos ist. Was für Früchte dieselbe den heutigen
Magnetiseurs gebracht habe, die hoffentlich nächstens
durch ihren berühmten starken Willen den Sirius an
die Stelle unserer Sonne zaubern werden! — das weiſs
Jedermann. — Und wenn die heutigen Schulen bemer-
ken, daſs sie es eigentlich sind, die ich hier indirect zu
bestreiten im Begriff stehe, indem ich eine der ältesten
Wurzeln ihres Irrthums bloſs lege: so mögen sie sich
nur nicht über den Vorzug wundern, welchen ich hier
dem indirecten Angriff vor dem directen einräume. Selbst
unter dem Unrichtigen und Verfehlten giebt es eine
Wahl; das Ursprüngliche ist merkwürdiger als das Ab-
geleitete, und mit dem Verständigsten mag ich mich am
liebsten beschäfftigen.

Der allgemeinste Fehler Kants in der Lehre von der
Causalität ist das, worauf er sich am meisten zu Gute
thut; die Meinung, eine eigentlich und wahrhaft meta-
physische Untersuchung über den ächten Sinn und Grund
des Causalbegriffs, ganz beseitigt; und an deren
Stelle
eine, für sich allein zureichende Nachfrage dar-
über angestellt zu haben, wie wir in der Mitte unserer
Erfahrung und Physik dazu kommen, den genannten Be-
griff anzuwenden. — Beydes war nöthig, sowohl diese
psychologische, als jene metaphysische Untersuchung;

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[325/0360] Anmerkung. Kants Lehre von der Causalität, — obgleich auf der Kehrseite der sogenannten kritischen Philosophie der allerdunkelste Flecken, — möchte dennoch, wie so Manches, vor mir in gutem Frieden ruhen: wenn nicht dieser Irrthum in der ungeheuersten Uebertreibung noch heute verderblich fortwirkte. Der Punct, den ich vor- zugsweise im Auge habe, ist die vorgebliche Wechsel- wirkung aller Substanzen im Raume. Diese hat unsre Zeit in den Spinozismus zurückgestürzt, gegen welchen die heutigen Kantianer einen ganz unnützen Streit füh- ren, so lange sie selbst die Fesseln einer Lehrmeinung tragen, die, speculativ betrachtet, durchaus grundlos und gehaltlos ist. Was für Früchte dieselbe den heutigen Magnetiseurs gebracht habe, die hoffentlich nächstens durch ihren berühmten starken Willen den Sirius an die Stelle unserer Sonne zaubern werden! — das weiſs Jedermann. — Und wenn die heutigen Schulen bemer- ken, daſs sie es eigentlich sind, die ich hier indirect zu bestreiten im Begriff stehe, indem ich eine der ältesten Wurzeln ihres Irrthums bloſs lege: so mögen sie sich nur nicht über den Vorzug wundern, welchen ich hier dem indirecten Angriff vor dem directen einräume. Selbst unter dem Unrichtigen und Verfehlten giebt es eine Wahl; das Ursprüngliche ist merkwürdiger als das Ab- geleitete, und mit dem Verständigsten mag ich mich am liebsten beschäfftigen. Der allgemeinste Fehler Kants in der Lehre von der Causalität ist das, worauf er sich am meisten zu Gute thut; die Meinung, eine eigentlich und wahrhaft meta- physische Untersuchung über den ächten Sinn und Grund des Causalbegriffs, ganz beseitigt; und an deren Stelle eine, für sich allein zureichende Nachfrage dar- über angestellt zu haben, wie wir in der Mitte unserer Erfahrung und Physik dazu kommen, den genannten Be- griff anzuwenden. — Beydes war nöthig, sowohl diese psychologische, als jene metaphysische Untersuchung;

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/360>, abgerufen am 23.11.2024.