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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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ctionen ganz unbekümmert um das Reale, sondern auch
der Metaphysiker, indem er von dem Geistigen zu reden
hat, findet dabey die Raumbegriffe ganz unbrauchbar zur
Bestimmung des Realen; so dass man meinen sollte, das
Reale und das Räumliche lägen weit genug auseinander.
Und der Physiker, wenn er beydes zu verknüpfen sich
genöthigt sieht, geräth in die drückendsten Verlegenhei-
ten; er bekennt, dass die Materie, von der er reden soll,
das dunkelste aller Dinge sey; er pflegt recht gern Ver-
zicht zu leisten auf alle Aufschlüsse über diese Realität
im Raume, so fern dieselben nicht unmittelbar aus der
Erfahrung kommen und zur Erfahrung zurückkehren.
Was bringt denn den gemeinen Verstand dazu, das
Seyn und den Raum so besonders genau mit einander
befreundet zu glauben?

Offenbar schöpft er jenes und diesen ursprünglich
aus einerley Quelle; so dass hier wirklich die Erklärung
aus der Association und Gewohnheit am rechten Orte
seyn wird. Die nämlichen sinnlichen Erscheinungen,
welche ohne Weiteres für real gehalten werden, (§. 141.)
entfalten sich auch vermöge der besondern Form der
Verschmelzung, die sie im Bewusstseyn annehmen müs-
sen, als ein Räumliches, (§. 110--115.) Daher kennt
Anfangs der Mensch kein anderes Reales als eben das
Räumliche, und beyde Begriffe begleiten einander, ohne
alle innere Nothwendigkeit der Verknüpfung, doch so
beständig, dass sie die Vestigkeit einer vollkommnen
Complexion darstellen. (§. 57.)

Was aber die Art und Weise anlangt, wie das
Reale in den Raum gesetzt wird, so ist merkwürdig, dass
dazu allemal die sämmtlichen drey Dimensionen des
Raums erfordert werden. Dieses kann in den allerersten
Auffassungen sinnlicher Gegenstände nicht gelegen ha-
ben, denn ursprünglich bieten sich dem Auge sowohl als
dem Gefühl nur Flächen dar; und es ist kein Zweifel,
dass Anfangs die gefärbten und widerstehenden Flächen
für real genommen werden, ohne ein Bedürfniss der drit-

ctionen ganz unbekümmert um das Reale, sondern auch
der Metaphysiker, indem er von dem Geistigen zu reden
hat, findet dabey die Raumbegriffe ganz unbrauchbar zur
Bestimmung des Realen; so daſs man meinen sollte, das
Reale und das Räumliche lägen weit genug auseinander.
Und der Physiker, wenn er beydes zu verknüpfen sich
genöthigt sieht, geräth in die drückendsten Verlegenhei-
ten; er bekennt, daſs die Materie, von der er reden soll,
das dunkelste aller Dinge sey; er pflegt recht gern Ver-
zicht zu leisten auf alle Aufschlüsse über diese Realität
im Raume, so fern dieselben nicht unmittelbar aus der
Erfahrung kommen und zur Erfahrung zurückkehren.
Was bringt denn den gemeinen Verstand dazu, das
Seyn und den Raum so besonders genau mit einander
befreundet zu glauben?

Offenbar schöpft er jenes und diesen ursprünglich
aus einerley Quelle; so daſs hier wirklich die Erklärung
aus der Association und Gewohnheit am rechten Orte
seyn wird. Die nämlichen sinnlichen Erscheinungen,
welche ohne Weiteres für real gehalten werden, (§. 141.)
entfalten sich auch vermöge der besondern Form der
Verschmelzung, die sie im Bewuſstseyn annehmen müs-
sen, als ein Räumliches, (§. 110—115.) Daher kennt
Anfangs der Mensch kein anderes Reales als eben das
Räumliche, und beyde Begriffe begleiten einander, ohne
alle innere Nothwendigkeit der Verknüpfung, doch so
beständig, daſs sie die Vestigkeit einer vollkommnen
Complexion darstellen. (§. 57.)

Was aber die Art und Weise anlangt, wie das
Reale in den Raum gesetzt wird, so ist merkwürdig, daſs
dazu allemal die sämmtlichen drey Dimensionen des
Raums erfordert werden. Dieses kann in den allerersten
Auffassungen sinnlicher Gegenstände nicht gelegen ha-
ben, denn ursprünglich bieten sich dem Auge sowohl als
dem Gefühl nur Flächen dar; und es ist kein Zweifel,
daſs Anfangs die gefärbten und widerstehenden Flächen
für real genommen werden, ohne ein Bedürfniſs der drit-

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[349/0384] ctionen ganz unbekümmert um das Reale, sondern auch der Metaphysiker, indem er von dem Geistigen zu reden hat, findet dabey die Raumbegriffe ganz unbrauchbar zur Bestimmung des Realen; so daſs man meinen sollte, das Reale und das Räumliche lägen weit genug auseinander. Und der Physiker, wenn er beydes zu verknüpfen sich genöthigt sieht, geräth in die drückendsten Verlegenhei- ten; er bekennt, daſs die Materie, von der er reden soll, das dunkelste aller Dinge sey; er pflegt recht gern Ver- zicht zu leisten auf alle Aufschlüsse über diese Realität im Raume, so fern dieselben nicht unmittelbar aus der Erfahrung kommen und zur Erfahrung zurückkehren. Was bringt denn den gemeinen Verstand dazu, das Seyn und den Raum so besonders genau mit einander befreundet zu glauben? Offenbar schöpft er jenes und diesen ursprünglich aus einerley Quelle; so daſs hier wirklich die Erklärung aus der Association und Gewohnheit am rechten Orte seyn wird. Die nämlichen sinnlichen Erscheinungen, welche ohne Weiteres für real gehalten werden, (§. 141.) entfalten sich auch vermöge der besondern Form der Verschmelzung, die sie im Bewuſstseyn annehmen müs- sen, als ein Räumliches, (§. 110—115.) Daher kennt Anfangs der Mensch kein anderes Reales als eben das Räumliche, und beyde Begriffe begleiten einander, ohne alle innere Nothwendigkeit der Verknüpfung, doch so beständig, daſs sie die Vestigkeit einer vollkommnen Complexion darstellen. (§. 57.) Was aber die Art und Weise anlangt, wie das Reale in den Raum gesetzt wird, so ist merkwürdig, daſs dazu allemal die sämmtlichen drey Dimensionen des Raums erfordert werden. Dieses kann in den allerersten Auffassungen sinnlicher Gegenstände nicht gelegen ha- ben, denn ursprünglich bieten sich dem Auge sowohl als dem Gefühl nur Flächen dar; und es ist kein Zweifel, daſs Anfangs die gefärbten und widerstehenden Flächen für real genommen werden, ohne ein Bedürfniſs der drit-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/384>, abgerufen am 24.11.2024.