Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.Gesetzt aber, man wolle trotz dieser handgreiflichen Un- der Nordpol = a, der Südpol = b, deren Gegensatz = a, deren Einheit = b; gesetzt ferner, man erlaube sich, a und b wiederum Vorhin wurde bemerkt, man müsse verhüten, das stigen. Ein sehr lebhafter, sehr aufgeregter Geist ist vielen und gro-
ssen Täuschungen unterworfen; und man kann sich eben nicht wun- dern, wenn er sie enthusiastisch verkündigt. Aber dass ein ganzes gelehrtes Publicum solche Täuschungen im Laufe vieler Jahre fortwäh- rend hegt und pflegt, ist eine Schwäche der Kritik, oder der Em- pfänglichkeit, die sie vorfindet. Gesetzt aber, man wolle trotz dieser handgreiflichen Un- der Nordpol = a, der Südpol = b, deren Gegensatz = α, deren Einheit = β; gesetzt ferner, man erlaube sich, α und β wiederum Vorhin wurde bemerkt, man müsse verhüten, das stigen. Ein sehr lebhafter, sehr aufgeregter Geist ist vielen und gro-
ſsen Täuschungen unterworfen; und man kann sich eben nicht wun- dern, wenn er sie enthusiastisch verkündigt. Aber daſs ein ganzes gelehrtes Publicum solche Täuschungen im Laufe vieler Jahre fortwäh- rend hegt und pflegt, ist eine Schwäche der Kritik, oder der Em- pfänglichkeit, die sie vorfindet. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0426" n="391"/> Gesetzt aber, man wolle trotz dieser handgreiflichen Un-<lb/> möglichkeit sich doch die Fiction erlauben, aus den Be-<lb/> griffen <hi rendition="#i">a, b, α, β</hi>, ein solches System zu machen, wie<lb/> etwa das <hi rendition="#g">täuschende Phänomen</hi> des Magneten dar-<lb/> stellt, wobey</p><lb/> <list> <item>der Nordpol = <hi rendition="#i">a,</hi></item><lb/> <item>der Südpol = <hi rendition="#i">b,</hi></item><lb/> <item>deren Gegensatz = <hi rendition="#i">α</hi>,</item><lb/> <item>deren Einheit = <hi rendition="#i">β</hi>;</item> </list><lb/> <p>gesetzt ferner, man erlaube sich, <hi rendition="#i">α</hi> und <hi rendition="#i">β</hi> wiederum<lb/> in die Stelle von <hi rendition="#i">a</hi> und <hi rendition="#i">b</hi> zu rücken: so ist nun ganz<lb/> unabweislich, von einer Reihe sowohl das Gesetz als die<lb/> Fortschreitung gegeben; ja es giebt nun <hi rendition="#g">eben deswe-<lb/> gen</hi> eine höhere Einheit der Einheit und des Gegen-<lb/> satzes, <hi rendition="#g">weil</hi> beyde letztern <hi rendition="#g">als unter sich entge-<lb/> gengesetzt</hi> betrachtet wurden, denn sonst wäre gar<lb/> kein Bedürfniſs, sie zu vereinigen, auch nur vermeintlich<lb/> und fingirt vorhanden gewesen. Also ist nun <hi rendition="#g">das ganze<lb/> System</hi> um eine Stelle weiter gerückt; und folglieh muſs<lb/> es abermals fortschreiten, weil sich <hi rendition="#i">A</hi> und <hi rendition="#i">B</hi> verhalten<lb/> wie <hi rendition="#i">α</hi> und <hi rendition="#i">β</hi>, d. h. weil sie wegen ihres Gegensatzes <hi rendition="#i">x,</hi><lb/> der sichtbar vor Augen liegt, man wolle ihn nun einge-<lb/> stehn oder nicht, wiederum begehren zur Einheit <hi rendition="#i">y</hi> zu<lb/> gelangen; wobey sich denn das alte Spiel unfehlbar wie-<lb/> derhohlt. Genug davon!</p><lb/> <p>Vorhin wurde bemerkt, man müsse verhüten, das<lb/> Unbedingte als eine Complexion von Merkmalen, die in<lb/> ihm eine <hi rendition="#g">wirkliche</hi> Vielheit ausmachten, zu betrachten;<lb/> welches soviel heiſst als, <hi rendition="#g">jedes Unbedingte ist an<lb/> sich</hi>, und wenn man jede Relation desselben zu einem<lb/> andern Unbedingten (dergleichen sich im <hi rendition="#g">Allgemeinen</hi><lb/><note xml:id="seg2pn_5_2" prev="#seg2pn_5_1" place="foot" n="*)">stigen. Ein sehr lebhafter, sehr aufgeregter Geist ist vielen und gro-<lb/> ſsen Täuschungen unterworfen; und man kann sich eben nicht wun-<lb/> dern, wenn er sie enthusiastisch verkündigt. Aber daſs ein ganzes<lb/> gelehrtes Publicum solche Täuschungen im Laufe vieler Jahre fortwäh-<lb/> rend hegt und pflegt, ist eine Schwäche der Kritik, oder der Em-<lb/> pfänglichkeit, die sie vorfindet.</note><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [391/0426]
Gesetzt aber, man wolle trotz dieser handgreiflichen Un-
möglichkeit sich doch die Fiction erlauben, aus den Be-
griffen a, b, α, β, ein solches System zu machen, wie
etwa das täuschende Phänomen des Magneten dar-
stellt, wobey
der Nordpol = a,
der Südpol = b,
deren Gegensatz = α,
deren Einheit = β;
gesetzt ferner, man erlaube sich, α und β wiederum
in die Stelle von a und b zu rücken: so ist nun ganz
unabweislich, von einer Reihe sowohl das Gesetz als die
Fortschreitung gegeben; ja es giebt nun eben deswe-
gen eine höhere Einheit der Einheit und des Gegen-
satzes, weil beyde letztern als unter sich entge-
gengesetzt betrachtet wurden, denn sonst wäre gar
kein Bedürfniſs, sie zu vereinigen, auch nur vermeintlich
und fingirt vorhanden gewesen. Also ist nun das ganze
System um eine Stelle weiter gerückt; und folglieh muſs
es abermals fortschreiten, weil sich A und B verhalten
wie α und β, d. h. weil sie wegen ihres Gegensatzes x,
der sichtbar vor Augen liegt, man wolle ihn nun einge-
stehn oder nicht, wiederum begehren zur Einheit y zu
gelangen; wobey sich denn das alte Spiel unfehlbar wie-
derhohlt. Genug davon!
Vorhin wurde bemerkt, man müsse verhüten, das
Unbedingte als eine Complexion von Merkmalen, die in
ihm eine wirkliche Vielheit ausmachten, zu betrachten;
welches soviel heiſst als, jedes Unbedingte ist an
sich, und wenn man jede Relation desselben zu einem
andern Unbedingten (dergleichen sich im Allgemeinen
*)
*) stigen. Ein sehr lebhafter, sehr aufgeregter Geist ist vielen und gro-
ſsen Täuschungen unterworfen; und man kann sich eben nicht wun-
dern, wenn er sie enthusiastisch verkündigt. Aber daſs ein ganzes
gelehrtes Publicum solche Täuschungen im Laufe vieler Jahre fortwäh-
rend hegt und pflegt, ist eine Schwäche der Kritik, oder der Em-
pfänglichkeit, die sie vorfindet.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |