Erscheinung, ein System von Vorstellungen in der Seele seyn, ohne ein wahrhaft Reales ausser der letzteren? Der sichtbare und fühlbare, der anatomisch und physio- logisch untersuchte Leib ist ohne allen Zweifel zunächst nur ein System von Vorstellungen, denn er ist durchaus ein Vorgestelltes. Allein die Erklärung dieses Systems von Vorstellungen findet keinen Ruhepunct, wenn sie nicht ein entsprechendes System realer Wesen ausser der Seele, welche unabhängig von derselben existiren und nur in eine zufällige Verbindung mit ihr gerathen sind, zum Grunde legt. Die allgemeine Metaphysik wird rea- listisch erst durch die Widerlegung des Idealismus.
Unser Leib erscheint als Materie im Raume. In so fern muss er nun weiter den allgemeinsten Principien der Naturphilosophie subsumirt werden. Ich habe in der schon oft angeführten Abhandlung de attractione elemen- torum die Construction der Materie gegeben; und man wird darin die Beweise der nachstehenden Sätze zu su- chen haben.
Jeder Körper ist anzusehn als ein Aggregat einfacher Wesen, deren Summe grösser ist, als das Quantum des Aussereinander in dem davon erfüllten Raume; die aber gleichwohl diesen Raum nicht nach dem, fälschlich hie- her gezogenen, Begriffe des geometrischen Continuum sondern mit einem für jede Art von Körpern besonders bestimmten Grade von gegenseitiger Durchdringung aus- füllen. Die Undurchdringlichkeit der Materie ist ganz und gar ein Wahn, dessen Ursprung darin liegt, dass die Durchdringung in denjenigen, allerdings häufigen, Fällen, unmöglich wird, wo sie neue Attractionsverhält- nisse zur Folge haben müsste, denen andre schon gebil- dete, und durch eine stärkere Nothwendigkeit aufrecht gehaltene, im Wege stehn. Die Cohäsion und Dichtig- keit jeder Materie hängt ab von einem Gleichgewichte zwischen Attraction und Repulsion, welches beydes nicht von gewissen räumlichen Kräften der einfachen We- sen, sondern von der formalen Nothwendigkeit herrührt,
Erscheinung, ein System von Vorstellungen in der Seele seyn, ohne ein wahrhaft Reales auſser der letzteren? Der sichtbare und fühlbare, der anatomisch und physio- logisch untersuchte Leib ist ohne allen Zweifel zunächst nur ein System von Vorstellungen, denn er ist durchaus ein Vorgestelltes. Allein die Erklärung dieses Systems von Vorstellungen findet keinen Ruhepunct, wenn sie nicht ein entsprechendes System realer Wesen auſser der Seele, welche unabhängig von derselben existiren und nur in eine zufällige Verbindung mit ihr gerathen sind, zum Grunde legt. Die allgemeine Metaphysik wird rea- listisch erst durch die Widerlegung des Idealismus.
Unser Leib erscheint als Materie im Raume. In so fern muſs er nun weiter den allgemeinsten Principien der Naturphilosophie subsumirt werden. Ich habe in der schon oft angeführten Abhandlung de attractione elemen- torum die Construction der Materie gegeben; und man wird darin die Beweise der nachstehenden Sätze zu su- chen haben.
Jeder Körper ist anzusehn als ein Aggregat einfacher Wesen, deren Summe gröſser ist, als das Quantum des Auſsereinander in dem davon erfüllten Raume; die aber gleichwohl diesen Raum nicht nach dem, fälschlich hie- her gezogenen, Begriffe des geometrischen Continuum sondern mit einem für jede Art von Körpern besonders bestimmten Grade von gegenseitiger Durchdringung aus- füllen. Die Undurchdringlichkeit der Materie ist ganz und gar ein Wahn, dessen Ursprung darin liegt, daſs die Durchdringung in denjenigen, allerdings häufigen, Fällen, unmöglich wird, wo sie neue Attractionsverhält- nisse zur Folge haben müſste, denen andre schon gebil- dete, und durch eine stärkere Nothwendigkeit aufrecht gehaltene, im Wege stehn. Die Cohäsion und Dichtig- keit jeder Materie hängt ab von einem Gleichgewichte zwischen Attraction und Repulsion, welches beydes nicht von gewissen räumlichen Kräften der einfachen We- sen, sondern von der formalen Nothwendigkeit herrührt,
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Erscheinung, ein System von Vorstellungen in der Seele
seyn, ohne ein wahrhaft Reales auſser der letzteren?
Der sichtbare und fühlbare, der anatomisch und physio-
logisch untersuchte Leib ist ohne allen Zweifel zunächst
nur ein System von Vorstellungen, denn er ist durchaus
ein Vorgestelltes. Allein die Erklärung dieses Systems
von Vorstellungen findet keinen Ruhepunct, wenn sie
nicht ein entsprechendes System realer Wesen auſser
der Seele, welche unabhängig von derselben existiren und
nur in eine zufällige Verbindung mit ihr gerathen sind,
zum Grunde legt. Die allgemeine Metaphysik wird rea-
listisch erst durch die Widerlegung des Idealismus.
Unser Leib erscheint als Materie im Raume. In so
fern muſs er nun weiter den allgemeinsten Principien der
Naturphilosophie subsumirt werden. Ich habe in der
schon oft angeführten Abhandlung de attractione elemen-
torum die Construction der Materie gegeben; und man
wird darin die Beweise der nachstehenden Sätze zu su-
chen haben.
Jeder Körper ist anzusehn als ein Aggregat einfacher
Wesen, deren Summe gröſser ist, als das Quantum des
Auſsereinander in dem davon erfüllten Raume; die aber
gleichwohl diesen Raum nicht nach dem, fälschlich hie-
her gezogenen, Begriffe des geometrischen Continuum
sondern mit einem für jede Art von Körpern besonders
bestimmten Grade von gegenseitiger Durchdringung aus-
füllen. Die Undurchdringlichkeit der Materie ist ganz
und gar ein Wahn, dessen Ursprung darin liegt, daſs
die Durchdringung in denjenigen, allerdings häufigen,
Fällen, unmöglich wird, wo sie neue Attractionsverhält-
nisse zur Folge haben müſste, denen andre schon gebil-
dete, und durch eine stärkere Nothwendigkeit aufrecht
gehaltene, im Wege stehn. Die Cohäsion und Dichtig-
keit jeder Materie hängt ab von einem Gleichgewichte
zwischen Attraction und Repulsion, welches beydes nicht
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/489>, abgerufen am 22.11.2024.
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