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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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sie schwerlich verhindern, dass nicht neben ihr die De-
mokratie sich erhebe; wie in Rom, nachdem die königli-
che Macht sich durch ihren eignen Misbrauch vernichtet
hatte. -- Man weiss, wie viel Anstrengung sie aufbot,
um sich in Venedig zu erhalten. Indessen versteht sich
von selbst, dass besondere Umstände dies alles sehr stark
modificiren können. Alle psychologischen Kräfte sind
höchst beweglich; kommt eine fremde Kraft hinzu, so
verrückt sie das Gleichgewicht wenigstens für den Au-
genblick; unterdess kann sich leicht etwas ereignen.

9) Eine völlige Umänderung des Vorstehenden ent-
steht oftmals durch Krieg und Eroberung. Doch muss
man hier drey Fälle unterscheiden. Der Krieg wird ent-
weder geführt als eine Jagd im Grossen, aus blosser Lust,
das Leben zu zerstören, und den Raub zu geniessen.
Oder ein Volk sucht bessere Wohnsitze, um dieselben
anzubauen; sein Kriegszug ist eine Wanderung. Oder
endlich, es strebt, seine Macht zu erweitern und zu be-
vestigen. Der erste dieser drey Fälle gehört gar nicht
hieher; denn die Wuth des Zerstörungsgeistes, wie sie
sich im Orient zu zeigen pflegt, erlaubt den Kräften
nicht, ins Gleichgewicht zu treten, sondern vernichtet
sie; oder lässt sie höchstens so lange fortarbeiten, bis
zum neuen Raube die Beute reif und beysammen ist.
Weit eher können wir die andern Fälle mit den psycho-
logischen Grundsätzen vergleichen.

10) Ein wanderndes Kriegsvolk hat einen gemeinsa-
men Zweck; dadurch bildet es eine Gesellschaft im
eigentlichen Sinne; und die Einzelnen sind hier nicht erst
nach, sondern vor der Hemmung verschmolzen. (§. 67.
und 71.) Wenn diese Gesellschaft sich als Gefolge
oder Geleite eines Heerführers darstellt, so ist dies ei-
nestheils die Wirkung des Umstandes, dass der Heer-
führer den Aufwand vorläufig bestreitet, theils davon, dass
die Gefahr in dem fremden Lande, welches erobert wer-
den soll, zur Einheit der kriegerischen Maassregeln zwingt,
mithin nur Ein Oberbefehl kann anerkannt werden. Ist

sie schwerlich verhindern, daſs nicht neben ihr die De-
mokratie sich erhebe; wie in Rom, nachdem die königli-
che Macht sich durch ihren eignen Misbrauch vernichtet
hatte. — Man weiſs, wie viel Anstrengung sie aufbot,
um sich in Venedig zu erhalten. Indessen versteht sich
von selbst, daſs besondere Umstände dies alles sehr stark
modificiren können. Alle psychologischen Kräfte sind
höchst beweglich; kommt eine fremde Kraft hinzu, so
verrückt sie das Gleichgewicht wenigstens für den Au-
genblick; unterdeſs kann sich leicht etwas ereignen.

9) Eine völlige Umänderung des Vorstehenden ent-
steht oftmals durch Krieg und Eroberung. Doch muſs
man hier drey Fälle unterscheiden. Der Krieg wird ent-
weder geführt als eine Jagd im Groſsen, aus bloſser Lust,
das Leben zu zerstören, und den Raub zu genieſsen.
Oder ein Volk sucht bessere Wohnsitze, um dieselben
anzubauen; sein Kriegszug ist eine Wanderung. Oder
endlich, es strebt, seine Macht zu erweitern und zu be-
vestigen. Der erste dieser drey Fälle gehört gar nicht
hieher; denn die Wuth des Zerstörungsgeistes, wie sie
sich im Orient zu zeigen pflegt, erlaubt den Kräften
nicht, ins Gleichgewicht zu treten, sondern vernichtet
sie; oder läſst sie höchstens so lange fortarbeiten, bis
zum neuen Raube die Beute reif und beysammen ist.
Weit eher können wir die andern Fälle mit den psycho-
logischen Grundsätzen vergleichen.

10) Ein wanderndes Kriegsvolk hat einen gemeinsa-
men Zweck; dadurch bildet es eine Gesellschaft im
eigentlichen Sinne; und die Einzelnen sind hier nicht erst
nach, sondern vor der Hemmung verschmolzen. (§. 67.
und 71.) Wenn diese Gesellschaft sich als Gefolge
oder Geleite eines Heerführers darstellt, so ist dies ei-
nestheils die Wirkung des Umstandes, daſs der Heer-
führer den Aufwand vorläufig bestreitet, theils davon, daſs
die Gefahr in dem fremden Lande, welches erobert wer-
den soll, zur Einheit der kriegerischen Maaſsregeln zwingt,
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[23/0058] sie schwerlich verhindern, daſs nicht neben ihr die De- mokratie sich erhebe; wie in Rom, nachdem die königli- che Macht sich durch ihren eignen Misbrauch vernichtet hatte. — Man weiſs, wie viel Anstrengung sie aufbot, um sich in Venedig zu erhalten. Indessen versteht sich von selbst, daſs besondere Umstände dies alles sehr stark modificiren können. Alle psychologischen Kräfte sind höchst beweglich; kommt eine fremde Kraft hinzu, so verrückt sie das Gleichgewicht wenigstens für den Au- genblick; unterdeſs kann sich leicht etwas ereignen. 9) Eine völlige Umänderung des Vorstehenden ent- steht oftmals durch Krieg und Eroberung. Doch muſs man hier drey Fälle unterscheiden. Der Krieg wird ent- weder geführt als eine Jagd im Groſsen, aus bloſser Lust, das Leben zu zerstören, und den Raub zu genieſsen. Oder ein Volk sucht bessere Wohnsitze, um dieselben anzubauen; sein Kriegszug ist eine Wanderung. Oder endlich, es strebt, seine Macht zu erweitern und zu be- vestigen. Der erste dieser drey Fälle gehört gar nicht hieher; denn die Wuth des Zerstörungsgeistes, wie sie sich im Orient zu zeigen pflegt, erlaubt den Kräften nicht, ins Gleichgewicht zu treten, sondern vernichtet sie; oder läſst sie höchstens so lange fortarbeiten, bis zum neuen Raube die Beute reif und beysammen ist. Weit eher können wir die andern Fälle mit den psycho- logischen Grundsätzen vergleichen. 10) Ein wanderndes Kriegsvolk hat einen gemeinsa- men Zweck; dadurch bildet es eine Gesellschaft im eigentlichen Sinne; und die Einzelnen sind hier nicht erst nach, sondern vor der Hemmung verschmolzen. (§. 67. und 71.) Wenn diese Gesellschaft sich als Gefolge oder Geleite eines Heerführers darstellt, so ist dies ei- nestheils die Wirkung des Umstandes, daſs der Heer- führer den Aufwand vorläufig bestreitet, theils davon, daſs die Gefahr in dem fremden Lande, welches erobert wer- den soll, zur Einheit der kriegerischen Maaſsregeln zwingt, mithin nur Ein Oberbefehl kann anerkannt werden. Ist

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/58>, abgerufen am 21.11.2024.