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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825.

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schen ordnen sich in Reihen und in Gewebe von
Reihen
; so dass Jeder seinen Platz habe in einem klei-
nen Kreise, dessen Radien jedoch weiter fortlaufen, und
einen Weg zeigen, den man durch das Ganze der Ge-
sellschaft verfolgen könne.

Dies nun ist der Punct, den ich erreichen wollte.

Der wichtigste Theil der ganzen Mechanik des Gei-
stes ist die Lehre von den Vorstellungsreihen. (§. 86
bis 92. und §. 100.) Dort ist der Grund aller Ord-
nung
im menschlichen Geiste nachgewiesen; die An-
wendung davon auf die Gesellschaft würde zeigen, wie
es zugeht, dass jeder Mensch sich an einer bestimmten
Stelle unter den übrigen findet, die ihm in den verschie-
denen Reihen der Unterordnung und Nebenordnung zu-
kommt. Wohlgeartete Bürger im wohl eingerichteten
Staate halten sich selbst an dieser ihrer Stelle; sie wir-
ken an ihrem Platze, sie wirken das, was sie zu thun
haben, indem sie zugleich das erreichen, erwerben, ge-
niessen, was dieser ihrer Stelle zukommt. Sie greifen
Andern nicht vor; allein sie setzen voraus, dass die frü-
hern Glieder in der Reihe, so weit sie dieselbe überse-
hen können, schon gehandelt haben, und es ist in ihnen
ein Streben, dass zu den nachfolgenden Gliedern die all-
gemeine Thätigkeit, wozu sie ihren Beytrag geben, wei-
ter fortlaufen möge. Vermöge dieses Zusammenhangs
wirkt der Reiz, welcher an irgend einem Puncte in der
Gesellschaft angebracht ist, dergestalt fort, dass er sich
durch das Ganze verbreitet; die vorhandenen Reihen und
deren Verwebungen sind die Conductoren, an denen er
fortläuft.

Jenes merkwürdige Weiterstreben, das wir im
§. 100. gefunden haben; jenes Wirken wider sich
selbst, um andern Platz zu machen
, lässt sich hier,
wo vom wohlgearteten Staatsbürger die Rede ist, leich-
ter anschaulich machen, als dort, wo es in den Vorstel-
lungen, den Gliedern der Reihen, gefunden wurde. Dem
Menschen in der Gesellschaft ist zwar von Natur ein

schen ordnen sich in Reihen und in Gewebe von
Reihen
; so daſs Jeder seinen Platz habe in einem klei-
nen Kreise, dessen Radien jedoch weiter fortlaufen, und
einen Weg zeigen, den man durch das Ganze der Ge-
sellschaft verfolgen könne.

Dies nun ist der Punct, den ich erreichen wollte.

Der wichtigste Theil der ganzen Mechanik des Gei-
stes ist die Lehre von den Vorstellungsreihen. (§. 86
bis 92. und §. 100.) Dort ist der Grund aller Ord-
nung
im menschlichen Geiste nachgewiesen; die An-
wendung davon auf die Gesellschaft würde zeigen, wie
es zugeht, daſs jeder Mensch sich an einer bestimmten
Stelle unter den übrigen findet, die ihm in den verschie-
denen Reihen der Unterordnung und Nebenordnung zu-
kommt. Wohlgeartete Bürger im wohl eingerichteten
Staate halten sich selbst an dieser ihrer Stelle; sie wir-
ken an ihrem Platze, sie wirken das, was sie zu thun
haben, indem sie zugleich das erreichen, erwerben, ge-
nieſsen, was dieser ihrer Stelle zukommt. Sie greifen
Andern nicht vor; allein sie setzen voraus, daſs die frü-
hern Glieder in der Reihe, so weit sie dieselbe überse-
hen können, schon gehandelt haben, und es ist in ihnen
ein Streben, daſs zu den nachfolgenden Gliedern die all-
gemeine Thätigkeit, wozu sie ihren Beytrag geben, wei-
ter fortlaufen möge. Vermöge dieses Zusammenhangs
wirkt der Reiz, welcher an irgend einem Puncte in der
Gesellschaft angebracht ist, dergestalt fort, daſs er sich
durch das Ganze verbreitet; die vorhandenen Reihen und
deren Verwebungen sind die Conductoren, an denen er
fortläuft.

Jenes merkwürdige Weiterstreben, das wir im
§. 100. gefunden haben; jenes Wirken wider sich
selbst, um andern Platz zu machen
, läſst sich hier,
wo vom wohlgearteten Staatsbürger die Rede ist, leich-
ter anschaulich machen, als dort, wo es in den Vorstel-
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[30/0065] schen ordnen sich in Reihen und in Gewebe von Reihen; so daſs Jeder seinen Platz habe in einem klei- nen Kreise, dessen Radien jedoch weiter fortlaufen, und einen Weg zeigen, den man durch das Ganze der Ge- sellschaft verfolgen könne. Dies nun ist der Punct, den ich erreichen wollte. Der wichtigste Theil der ganzen Mechanik des Gei- stes ist die Lehre von den Vorstellungsreihen. (§. 86 bis 92. und §. 100.) Dort ist der Grund aller Ord- nung im menschlichen Geiste nachgewiesen; die An- wendung davon auf die Gesellschaft würde zeigen, wie es zugeht, daſs jeder Mensch sich an einer bestimmten Stelle unter den übrigen findet, die ihm in den verschie- denen Reihen der Unterordnung und Nebenordnung zu- kommt. Wohlgeartete Bürger im wohl eingerichteten Staate halten sich selbst an dieser ihrer Stelle; sie wir- ken an ihrem Platze, sie wirken das, was sie zu thun haben, indem sie zugleich das erreichen, erwerben, ge- nieſsen, was dieser ihrer Stelle zukommt. Sie greifen Andern nicht vor; allein sie setzen voraus, daſs die frü- hern Glieder in der Reihe, so weit sie dieselbe überse- hen können, schon gehandelt haben, und es ist in ihnen ein Streben, daſs zu den nachfolgenden Gliedern die all- gemeine Thätigkeit, wozu sie ihren Beytrag geben, wei- ter fortlaufen möge. Vermöge dieses Zusammenhangs wirkt der Reiz, welcher an irgend einem Puncte in der Gesellschaft angebracht ist, dergestalt fort, daſs er sich durch das Ganze verbreitet; die vorhandenen Reihen und deren Verwebungen sind die Conductoren, an denen er fortläuft. Jenes merkwürdige Weiterstreben, das wir im §. 100. gefunden haben; jenes Wirken wider sich selbst, um andern Platz zu machen, läſst sich hier, wo vom wohlgearteten Staatsbürger die Rede ist, leich- ter anschaulich machen, als dort, wo es in den Vorstel- lungen, den Gliedern der Reihen, gefunden wurde. Dem Menschen in der Gesellschaft ist zwar von Natur ein

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/65>, abgerufen am 21.11.2024.