gen entwickeln. Also bezieht sich die Vernunft (nämlich die endliche, die ein empirischer Gegenstand ist,) wiederum auf die Reproductionsgesetze, die wir aus der Mechanik des Geistes kennen.
Allein es kommt etwas hinzu, wodurch das Ueberle- gen sich vom Reproduciren des Gedächtnisses und der Phantasie unterscheidet.
Zuvörderst: die Reproduction wird innerlich beobach- tet. Nun beruht alle Beobachtung auf einem unbestimm- ten Erwarten dessen, was kommen könnte. Also ist hier ein unbestimmtes Vorstellen zugegen, dergleichen nur eben zuvor beym Verstande, und seinem Uebergange ins Urtheilen, bemerkt wurde. In der That kann man den Gegenstand, welcher überlegt wird, -- den Frage- punct, -- ansehn als ein noch unbestimmtes Subject, dem ein Prädicat bevorsteht.
Die Vernunft bezieht sich also auf eine Theilung des geistigen Thuns in wenigstens zwei Theile, die sich verhalten wie Beobachtetes und Beobachter; oder kürzer, wie Object und Subject.
Zweytens: der Ueberlegende beobachtet nicht bloss in sich die Reproduction einer bekannten, oder einer zu- fällig neu entstehenden Reihe, -- wie wenn er das frü- her Memorirte wiederhohlen, oder dem Spiele seiner Phantasie zuschauen wollte, -- sondern er erwartet ein Ereigniss, das sich innerlich zutragen soll, wodurch eine noch nicht vorhandene Bestimmung seiner Gedanken ein- treten wird. Dazu kann eine Reihe allein nicht hinrei- chen; es müssen deren zwey, oder mehrere seyn, die auf einander treffen; die irgendwie zusammenstossen.
Die Vernunft bezieht sich also nicht bloss auf die Theilung des Objects und Subjects, sondern auch auf eine Theilung in dem Objecti- ven, welches zusammenstossen soll.
Hieraus sieht man, dass der Syllogismus eins der leichtesten Beyspiele für das Thun der Vernunft darbie- tet, aber das Beyspiel ist nicht der Begriff selbst; und
gen entwickeln. Also bezieht sich die Vernunft (nämlich die endliche, die ein empirischer Gegenstand ist,) wiederum auf die Reproductionsgesetze, die wir aus der Mechanik des Geistes kennen.
Allein es kommt etwas hinzu, wodurch das Ueberle- gen sich vom Reproduciren des Gedächtnisses und der Phantasie unterscheidet.
Zuvörderst: die Reproduction wird innerlich beobach- tet. Nun beruht alle Beobachtung auf einem unbestimm- ten Erwarten dessen, was kommen könnte. Also ist hier ein unbestimmtes Vorstellen zugegen, dergleichen nur eben zuvor beym Verstande, und seinem Uebergange ins Urtheilen, bemerkt wurde. In der That kann man den Gegenstand, welcher überlegt wird, — den Frage- punct, — ansehn als ein noch unbestimmtes Subject, dem ein Prädicat bevorsteht.
Die Vernunft bezieht sich also auf eine Theilung des geistigen Thuns in wenigstens zwei Theile, die sich verhalten wie Beobachtetes und Beobachter; oder kürzer, wie Object und Subject.
Zweytens: der Ueberlegende beobachtet nicht bloſs in sich die Reproduction einer bekannten, oder einer zu- fällig neu entstehenden Reihe, — wie wenn er das frü- her Memorirte wiederhohlen, oder dem Spiele seiner Phantasie zuschauen wollte, — sondern er erwartet ein Ereigniſs, das sich innerlich zutragen soll, wodurch eine noch nicht vorhandene Bestimmung seiner Gedanken ein- treten wird. Dazu kann eine Reihe allein nicht hinrei- chen; es müssen deren zwey, oder mehrere seyn, die auf einander treffen; die irgendwie zusammenstoſsen.
Die Vernunft bezieht sich also nicht bloſs auf die Theilung des Objects und Subjects, sondern auch auf eine Theilung in dem Objecti- ven, welches zusammenstoſsen soll.
Hieraus sieht man, daſs der Syllogismus eins der leichtesten Beyspiele für das Thun der Vernunft darbie- tet, aber das Beyspiel ist nicht der Begriff selbst; und
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gen entwickeln. Also bezieht sich die Vernunft (nämlich
die endliche, die ein empirischer Gegenstand ist,)
wiederum auf die Reproductionsgesetze, die wir aus der
Mechanik des Geistes kennen.
Allein es kommt etwas hinzu, wodurch das Ueberle-
gen sich vom Reproduciren des Gedächtnisses und der
Phantasie unterscheidet.
Zuvörderst: die Reproduction wird innerlich beobach-
tet. Nun beruht alle Beobachtung auf einem unbestimm-
ten Erwarten dessen, was kommen könnte. Also ist hier
ein unbestimmtes Vorstellen zugegen, dergleichen
nur eben zuvor beym Verstande, und seinem Uebergange
ins Urtheilen, bemerkt wurde. In der That kann man
den Gegenstand, welcher überlegt wird, — den Frage-
punct, — ansehn als ein noch unbestimmtes Subject, dem
ein Prädicat bevorsteht.
Die Vernunft bezieht sich also auf eine Theilung
des geistigen Thuns in wenigstens zwei Theile, die
sich verhalten wie Beobachtetes und Beobachter; oder
kürzer, wie Object und Subject.
Zweytens: der Ueberlegende beobachtet nicht bloſs
in sich die Reproduction einer bekannten, oder einer zu-
fällig neu entstehenden Reihe, — wie wenn er das frü-
her Memorirte wiederhohlen, oder dem Spiele seiner
Phantasie zuschauen wollte, — sondern er erwartet ein
Ereigniſs, das sich innerlich zutragen soll, wodurch eine
noch nicht vorhandene Bestimmung seiner Gedanken ein-
treten wird. Dazu kann eine Reihe allein nicht hinrei-
chen; es müssen deren zwey, oder mehrere seyn, die
auf einander treffen; die irgendwie zusammenstoſsen.
Die Vernunft bezieht sich also nicht bloſs
auf die Theilung des Objects und Subjects,
sondern auch auf eine Theilung in dem Objecti-
ven, welches zusammenstoſsen soll.
Hieraus sieht man, daſs der Syllogismus eins der
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tet, aber das Beyspiel ist nicht der Begriff selbst; und
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Herbart, Johann Friedrich: Psychologie als Wissenschaft. Bd. 2. Königsberg, 1825, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie02_1825/81>, abgerufen am 16.02.2025.
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