Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

Schluß-Bemerkung.

Kehrt man von den Geistes-Zerrüttungen wieder zu-
rück zu den gewöhnlichen psychologischen Erscheinungen, so
erinnert der Wahnsinn an die Leidenschaften, die Tobsucht
an die Affecten, die Narrheit an die Zerstreutheit, und der
Blödsinn an die Trägheit und Faulheit (letzterer zwar auch
an die Dummheit; allein diese ist selbst ein geringerer Grad
des Blödsinns). Leidenschaften, Affecten, Zerstreutheit und
Trägheit sind auch kranke Zustände des Geistes, nur min-
der hartnäckig, als jene Zerrüttungen desselben.

Das Gegentheil von dem Allen wird die Gesund-
heit
des Geistes seyn. Demnach ist sie

als Gegentheil des Wahnsinns und der Leidenschaften:
-- gegenseitige Bestimmbarkeit aller Vorstellungen
und Begehrungen durch einander (oder Freyheit von
fixen Jdeen und Begierden).

als Gegentheil der Tobsucht und der Affecten: -- Ruhe und Gleichmuth.

als Gegentheil der Narrheit und Zerstreutheit: -- Ver-
knüpfung und Sammlung der Gedanken.

als Gegentheil des Blödsinns und der Trägheit: -- Reizbarkeit und Munterkeit.

Man pflegt aber die Gesundheit des Geistes nicht in
allen Seelenvermögen gleichmäßig zu suchen; sondern vor-
zugsweise sind dem gemeinen Sprachgebrauche bekannt: der
gesunde Verstand, die gesunde Urtheilskraft, und die gesunde
Vernunft. Was nun Vernunft, Verstand und Urtheils-
kraft eigentlich seyen, das wird sich durch Vergleichung mit
den eben angegebenen Merkmalen der geistigen Gesundheit
etwas näher erkennen lassen. Das Weitere hievon im
zweyten Theile.

Die Vergleichung zwischen dem Wahnsinne und den
Leidenschaften läßt sich noch etwas weiter führen. Am

Schluß-Bemerkung.

Kehrt man von den Geistes-Zerrüttungen wieder zu-
rück zu den gewöhnlichen psychologischen Erscheinungen, so
erinnert der Wahnsinn an die Leidenschaften, die Tobsucht
an die Affecten, die Narrheit an die Zerstreutheit, und der
Blödsinn an die Trägheit und Faulheit (letzterer zwar auch
an die Dummheit; allein diese ist selbst ein geringerer Grad
des Blödsinns). Leidenschaften, Affecten, Zerstreutheit und
Trägheit sind auch kranke Zustände des Geistes, nur min-
der hartnäckig, als jene Zerrüttungen desselben.

Das Gegentheil von dem Allen wird die Gesund-
heit
des Geistes seyn. Demnach ist sie

als Gegentheil des Wahnsinns und der Leidenschaften:
— gegenseitige Bestimmbarkeit aller Vorstellungen
und Begehrungen durch einander (oder Freyheit von
fixen Jdeen und Begierden).

als Gegentheil der Tobsucht und der Affecten: — Ruhe und Gleichmuth.

als Gegentheil der Narrheit und Zerstreutheit: — Ver-
knüpfung und Sammlung der Gedanken.

als Gegentheil des Blödsinns und der Trägheit: — Reizbarkeit und Munterkeit.

Man pflegt aber die Gesundheit des Geistes nicht in
allen Seelenvermögen gleichmäßig zu suchen; sondern vor-
zugsweise sind dem gemeinen Sprachgebrauche bekannt: der
gesunde Verstand, die gesunde Urtheilskraft, und die gesunde
Vernunft. Was nun Vernunft, Verstand und Urtheils-
kraft eigentlich seyen, das wird sich durch Vergleichung mit
den eben angegebenen Merkmalen der geistigen Gesundheit
etwas näher erkennen lassen. Das Weitere hievon im
zweyten Theile.

Die Vergleichung zwischen dem Wahnsinne und den
Leidenschaften läßt sich noch etwas weiter führen. Am

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0125" n="117"/>
            <p> <hi rendition="#g">Schluß-Bemerkung.</hi> </p><lb/>
            <p>Kehrt man von den Geistes-Zerrüttungen wieder zu-<lb/>
rück zu den gewöhnlichen
               psychologischen Erscheinungen, so<lb/>
erinnert der Wahnsinn an die Leidenschaften,
               die Tobsucht<lb/>
an die Affecten, die Narrheit an die Zerstreutheit, und der<lb/>
Blödsinn an die Trägheit und Faulheit (letzterer zwar auch<lb/>
an die Dummheit;
               allein diese ist selbst ein geringerer Grad<lb/>
des Blödsinns). Leidenschaften,
               Affecten, Zerstreutheit und<lb/>
Trägheit sind auch kranke Zustände des Geistes, nur
               min-<lb/>
der hartnäckig, als jene Zerrüttungen desselben. </p><lb/>
            <p>Das Gegentheil von dem Allen wird die <hi rendition="#g">Gesund-<lb/>
heit</hi> des
               Geistes seyn. Demnach ist sie</p><lb/>
            <p> <hi rendition="#right">als Gegentheil des Wahnsinns und der Leidenschaften:<lb/>
&#x2014;
                 gegenseitige Bestimmbarkeit aller Vorstellungen<lb/>
und Begehrungen durch einander
                 (oder Freyheit von<lb/>
fixen Jdeen und Begierden).</hi> </p><lb/>
            <p> <hi rendition="#right">als Gegentheil der Tobsucht und der Affecten: &#x2014; Ruhe und
                 Gleichmuth.</hi> </p><lb/>
            <p> <hi rendition="#right">als Gegentheil der Narrheit und Zerstreutheit: &#x2014; Ver-<lb/>
knüpfung und Sammlung der Gedanken.</hi> </p>
            <p> <hi rendition="#right">als Gegentheil des Blödsinns und der Trägheit: &#x2014; Reizbarkeit
                 und Munterkeit.</hi> </p><lb/>
            <p>Man pflegt aber die Gesundheit des Geistes nicht in<lb/>
allen Seelenvermögen
               gleichmäßig zu suchen; sondern vor-<lb/>
zugsweise sind dem gemeinen Sprachgebrauche
               bekannt: der<lb/>
gesunde Verstand, die gesunde Urtheilskraft, und die gesunde<lb/>
Vernunft. Was nun Vernunft, Verstand und Urtheils-<lb/>
kraft eigentlich seyen, das
               wird sich durch Vergleichung mit<lb/>
den eben angegebenen Merkmalen der geistigen
               Gesundheit<lb/>
etwas näher erkennen lassen. Das Weitere hievon im<lb/>
zweyten
               Theile.</p><lb/>
            <p>Die Vergleichung zwischen dem Wahnsinne und den<lb/>
Leidenschaften läßt sich noch
               etwas weiter führen. Am
</p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0125] Schluß-Bemerkung. Kehrt man von den Geistes-Zerrüttungen wieder zu- rück zu den gewöhnlichen psychologischen Erscheinungen, so erinnert der Wahnsinn an die Leidenschaften, die Tobsucht an die Affecten, die Narrheit an die Zerstreutheit, und der Blödsinn an die Trägheit und Faulheit (letzterer zwar auch an die Dummheit; allein diese ist selbst ein geringerer Grad des Blödsinns). Leidenschaften, Affecten, Zerstreutheit und Trägheit sind auch kranke Zustände des Geistes, nur min- der hartnäckig, als jene Zerrüttungen desselben. Das Gegentheil von dem Allen wird die Gesund- heit des Geistes seyn. Demnach ist sie als Gegentheil des Wahnsinns und der Leidenschaften: — gegenseitige Bestimmbarkeit aller Vorstellungen und Begehrungen durch einander (oder Freyheit von fixen Jdeen und Begierden). als Gegentheil der Tobsucht und der Affecten: — Ruhe und Gleichmuth. als Gegentheil der Narrheit und Zerstreutheit: — Ver- knüpfung und Sammlung der Gedanken. als Gegentheil des Blödsinns und der Trägheit: — Reizbarkeit und Munterkeit. Man pflegt aber die Gesundheit des Geistes nicht in allen Seelenvermögen gleichmäßig zu suchen; sondern vor- zugsweise sind dem gemeinen Sprachgebrauche bekannt: der gesunde Verstand, die gesunde Urtheilskraft, und die gesunde Vernunft. Was nun Vernunft, Verstand und Urtheils- kraft eigentlich seyen, das wird sich durch Vergleichung mit den eben angegebenen Merkmalen der geistigen Gesundheit etwas näher erkennen lassen. Das Weitere hievon im zweyten Theile. Die Vergleichung zwischen dem Wahnsinne und den Leidenschaften läßt sich noch etwas weiter führen. Am

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-07-05T12:13:38Z)
Thomas Gloning: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-07-05T12:13:38Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Hannah Sophia Glaum: Umwandlung in DTABf-konformes Markup. (2013-07-05T12:13:38Z)
Stefanie Seim: Nachkorrekturen. (2013-07-05T12:13:38Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Bogensignaturen: nicht übernommen
  • fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet
  • langes s (ſ): als s transkribiert
  • rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert
  • Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/125
Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/125>, abgerufen am 18.12.2024.