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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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stets beysammen. Und aus einfachen Empfindungen kann
man selbst in Gedanken nichts absondern
, damit
etwas anderes übrig bleibe. Wie soll aus roth, blau,
gelb, u. s. w.
der Gattungsbegriff Farbe entstehn? Wel-
ches sind hier die specifischen Differenzen, von denen abstra-
hirt wird? Niemand wird sie angeben können.

Allgemeine Begriffe, die bloß durch ihren Jnhalt ge-
dacht würden, ohne ein Hinabgleiten des Vorstellens in ih-
ren Umfang, sind, wie schon oben (78) bemerkt, logische
Jdeale
; so wie die ganze Logik eine Moral für das
Denken ist, nicht aber eine Naturgeschichte des
Verstandes.

Daher kann man nur fragen: wie es zugehe, daß wir
uns solche Jdeale denken, und uns denselben mehr und mehr
annähern? Und die Antwort: vermittelst der Urtheile,
ist schon oben gegeben; wir müssen sie jetzt entwickeln. Da-
bey werden gewisse Gesammt-Eindrücke von ähnli-
chen Gegenständen
vorausgesetzt, als rohes Material,
woraus die allgemeinen Begriffe allmählig gebildet werden;
diese Gesammt-Eindrücke sind aber nichts anders, als Com-
plexionen, worin das Aehnliche der Theilvorstellungen ein
Uebergewicht hat über dem Verschiedenartigen. Solches
Uebergewicht wird allmählig stärker, und entscheidender; es
bilden nämlich Anfangs die wiederhohlten Auffassungen ähn-
licher Gegenstände eine Zeitreihe (man erinnert sich, wann
und wo und in welcher Folge man solche Gegenstände ge-
sehen habe); wird aber die Reihe zu lang, so kann sie sich
nicht mehr evolviren; sondern das Alltägliche wird ein Be-
harrliches; dessen Vorstellung nun im Zustande der Jnvo-
lution bleibt (31). Die Hemmung unter den verschieden-
artigen Bestimmungen ist dann in dauernde Verdunkelung
derselben, wiewohl nicht in gänzliche Abtrennung vom Gleich-
artigen, übergegangen.


stets beysammen. Und aus einfachen Empfindungen kann
man selbst in Gedanken nichts absondern
, damit
etwas anderes übrig bleibe. Wie soll aus roth, blau,
gelb, u. s. w.
der Gattungsbegriff Farbe entstehn? Wel-
ches sind hier die specifischen Differenzen, von denen abstra-
hirt wird? Niemand wird sie angeben können.

Allgemeine Begriffe, die bloß durch ihren Jnhalt ge-
dacht würden, ohne ein Hinabgleiten des Vorstellens in ih-
ren Umfang, sind, wie schon oben (78) bemerkt, logische
Jdeale
; so wie die ganze Logik eine Moral für das
Denken ist, nicht aber eine Naturgeschichte des
Verstandes.

Daher kann man nur fragen: wie es zugehe, daß wir
uns solche Jdeale denken, und uns denselben mehr und mehr
annähern? Und die Antwort: vermittelst der Urtheile,
ist schon oben gegeben; wir müssen sie jetzt entwickeln. Da-
bey werden gewisse Gesammt-Eindrücke von ähnli-
chen Gegenständen
vorausgesetzt, als rohes Material,
woraus die allgemeinen Begriffe allmählig gebildet werden;
diese Gesammt-Eindrücke sind aber nichts anders, als Com-
plexionen, worin das Aehnliche der Theilvorstellungen ein
Uebergewicht hat über dem Verschiedenartigen. Solches
Uebergewicht wird allmählig stärker, und entscheidender; es
bilden nämlich Anfangs die wiederhohlten Auffassungen ähn-
licher Gegenstände eine Zeitreihe (man erinnert sich, wann
und wo und in welcher Folge man solche Gegenstände ge-
sehen habe); wird aber die Reihe zu lang, so kann sie sich
nicht mehr evolviren; sondern das Alltägliche wird ein Be-
harrliches; dessen Vorstellung nun im Zustande der Jnvo-
lution bleibt (31). Die Hemmung unter den verschieden-
artigen Bestimmungen ist dann in dauernde Verdunkelung
derselben, wiewohl nicht in gänzliche Abtrennung vom Gleich-
artigen, übergegangen.


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[145/0153] stets beysammen. Und aus einfachen Empfindungen kann man selbst in Gedanken nichts absondern, damit etwas anderes übrig bleibe. Wie soll aus roth, blau, gelb, u. s. w. der Gattungsbegriff Farbe entstehn? Wel- ches sind hier die specifischen Differenzen, von denen abstra- hirt wird? Niemand wird sie angeben können. Allgemeine Begriffe, die bloß durch ihren Jnhalt ge- dacht würden, ohne ein Hinabgleiten des Vorstellens in ih- ren Umfang, sind, wie schon oben (78) bemerkt, logische Jdeale; so wie die ganze Logik eine Moral für das Denken ist, nicht aber eine Naturgeschichte des Verstandes. Daher kann man nur fragen: wie es zugehe, daß wir uns solche Jdeale denken, und uns denselben mehr und mehr annähern? Und die Antwort: vermittelst der Urtheile, ist schon oben gegeben; wir müssen sie jetzt entwickeln. Da- bey werden gewisse Gesammt-Eindrücke von ähnli- chen Gegenständen vorausgesetzt, als rohes Material, woraus die allgemeinen Begriffe allmählig gebildet werden; diese Gesammt-Eindrücke sind aber nichts anders, als Com- plexionen, worin das Aehnliche der Theilvorstellungen ein Uebergewicht hat über dem Verschiedenartigen. Solches Uebergewicht wird allmählig stärker, und entscheidender; es bilden nämlich Anfangs die wiederhohlten Auffassungen ähn- licher Gegenstände eine Zeitreihe (man erinnert sich, wann und wo und in welcher Folge man solche Gegenstände ge- sehen habe); wird aber die Reihe zu lang, so kann sie sich nicht mehr evolviren; sondern das Alltägliche wird ein Be- harrliches; dessen Vorstellung nun im Zustande der Jnvo- lution bleibt (31). Die Hemmung unter den verschieden- artigen Bestimmungen ist dann in dauernde Verdunkelung derselben, wiewohl nicht in gänzliche Abtrennung vom Gleich- artigen, übergegangen.

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/153>, abgerufen am 09.11.2024.