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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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zung. So, wenn uns etwas erzählt wird; wir setzen uns
unvermerkt die einzeln dargebotenen Züge in ein Bild zu-
sammen, ohne daran zu denken, daß der Erzähler sich der-
jenigen Redeformen bedient hat, welche man braucht, um
Subjecte mit Prädicaten zu verknüpfen. -- Jst aber das
Prädicat jenen Bestimmungen entgegengesetzt, so muß noch
ein letzter Unterschied gemacht werden; es ist nämlich entwe-
der damit im Contrast, oder im bloßen Gegensatze.
Das erstere erfodert eine gewisse Art der Complexionen,
welche oben (35) bestimmt angegeben sind; und die Folge
davon ist, daß das Urtheil als ein solches, aber als ein
paradoxes oder falsches vernommen wird. Jm Falle des
bloßen Gegensatzes aber erscheint dasselbe nicht sowohl falsch,
als vielmehr sinnlos.

188. Dagegen nun muß die verständige Rede vor
allen Dingen zusammenhängen; sie muß immer einen be-
trächtlichen Theil der eben vorhandenen Vorstellungen vest-
halten. Und derjenige wird am besten verstehen, welcher
den ganzen Zusammenhang vesthält, und aller gegensei-
tigen Bestimmungen des ihm Mitgetheilten inne wird. Da-
rum gilt auch der Verstand für einen feinern Sinn; man
sagt, eine Rede habe Sinn und Verstand, sie sen sinn-
reich, u. s. w.

Anmerkung. Sehr wichtig ist der factische Umstand
daß auch in der Musik der Unterschied des Sinnlosen von
dem Verständlichen sich wiederfindet. An jenes treffen zu-
weilen diejenigen Tonsetzer, die nach Contrasten haschen.
Das verständliche aber ist noch gar nicht darum auch das
Schöne. Ueberdies gleicht die Musik so sehr der Rede
(durch ihre Perioden, ihre Vordersätze und Nachsätze), daß
Unkundige oder Schwärmer sich sehr leicht einbilden, die
Musik wolle etwas sagen, wozu ihr nur die Worte fehlen.
So gilt sie in ihrer höchsten Beredsamkeit für eine Stum-

zung. So, wenn uns etwas erzählt wird; wir setzen uns
unvermerkt die einzeln dargebotenen Züge in ein Bild zu-
sammen, ohne daran zu denken, daß der Erzähler sich der-
jenigen Redeformen bedient hat, welche man braucht, um
Subjecte mit Prädicaten zu verknüpfen. — Jst aber das
Prädicat jenen Bestimmungen entgegengesetzt, so muß noch
ein letzter Unterschied gemacht werden; es ist nämlich entwe-
der damit im Contrast, oder im bloßen Gegensatze.
Das erstere erfodert eine gewisse Art der Complexionen,
welche oben (35) bestimmt angegeben sind; und die Folge
davon ist, daß das Urtheil als ein solches, aber als ein
paradoxes oder falsches vernommen wird. Jm Falle des
bloßen Gegensatzes aber erscheint dasselbe nicht sowohl falsch,
als vielmehr sinnlos.

188. Dagegen nun muß die verständige Rede vor
allen Dingen zusammenhängen; sie muß immer einen be-
trächtlichen Theil der eben vorhandenen Vorstellungen vest-
halten. Und derjenige wird am besten verstehen, welcher
den ganzen Zusammenhang vesthält, und aller gegensei-
tigen Bestimmungen des ihm Mitgetheilten inne wird. Da-
rum gilt auch der Verstand für einen feinern Sinn; man
sagt, eine Rede habe Sinn und Verstand, sie sen sinn-
reich, u. s. w.

Anmerkung. Sehr wichtig ist der factische Umstand
daß auch in der Musik der Unterschied des Sinnlosen von
dem Verständlichen sich wiederfindet. An jenes treffen zu-
weilen diejenigen Tonsetzer, die nach Contrasten haschen.
Das verständliche aber ist noch gar nicht darum auch das
Schöne. Ueberdies gleicht die Musik so sehr der Rede
(durch ihre Perioden, ihre Vordersätze und Nachsätze), daß
Unkundige oder Schwärmer sich sehr leicht einbilden, die
Musik wolle etwas sagen, wozu ihr nur die Worte fehlen.
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[148/0156] zung. So, wenn uns etwas erzählt wird; wir setzen uns unvermerkt die einzeln dargebotenen Züge in ein Bild zu- sammen, ohne daran zu denken, daß der Erzähler sich der- jenigen Redeformen bedient hat, welche man braucht, um Subjecte mit Prädicaten zu verknüpfen. — Jst aber das Prädicat jenen Bestimmungen entgegengesetzt, so muß noch ein letzter Unterschied gemacht werden; es ist nämlich entwe- der damit im Contrast, oder im bloßen Gegensatze. Das erstere erfodert eine gewisse Art der Complexionen, welche oben (35) bestimmt angegeben sind; und die Folge davon ist, daß das Urtheil als ein solches, aber als ein paradoxes oder falsches vernommen wird. Jm Falle des bloßen Gegensatzes aber erscheint dasselbe nicht sowohl falsch, als vielmehr sinnlos. 188. Dagegen nun muß die verständige Rede vor allen Dingen zusammenhängen; sie muß immer einen be- trächtlichen Theil der eben vorhandenen Vorstellungen vest- halten. Und derjenige wird am besten verstehen, welcher den ganzen Zusammenhang vesthält, und aller gegensei- tigen Bestimmungen des ihm Mitgetheilten inne wird. Da- rum gilt auch der Verstand für einen feinern Sinn; man sagt, eine Rede habe Sinn und Verstand, sie sen sinn- reich, u. s. w. Anmerkung. Sehr wichtig ist der factische Umstand daß auch in der Musik der Unterschied des Sinnlosen von dem Verständlichen sich wiederfindet. An jenes treffen zu- weilen diejenigen Tonsetzer, die nach Contrasten haschen. Das verständliche aber ist noch gar nicht darum auch das Schöne. Ueberdies gleicht die Musik so sehr der Rede (durch ihre Perioden, ihre Vordersätze und Nachsätze), daß Unkundige oder Schwärmer sich sehr leicht einbilden, die Musik wolle etwas sagen, wozu ihr nur die Worte fehlen. So gilt sie in ihrer höchsten Beredsamkeit für eine Stum-

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 148. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/156>, abgerufen am 09.11.2024.