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Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834.

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durch welche die Ueberlegung der Mittel und Hindemisse
geschieht, leicht begegnen und einander widerstreiten. Das
Schwanken in diesem Widerstreite ist die praktische
Ueberlegung
, welche geendigt wird in der Wahl.

Diese letztre ist ursprünglich nicht ein Werk der prak-
tischen Grundsätze
, sie macht vielmehr dergleichen erst
möglich, indem aus oft wiederhohltem Wählen in ähnlichen
Fällen allmählig ein allgemeines Wollen entsteht, und
gerade so durch hinzukommende Urtheile ausgebildet wird,
wie die allgemeinen Begriffe (179--192).

Hier aber ist schon der Uebergang in die Betrachtun-
gen des folgenden Capitels.

Anmerkung. Zu unterscheiden von dem allgemeinen
Wollen, aber gleichfalls vorbereitend auf das folgende Ca-
pitel, ist der Umstand, daß, je mehrere Vorstellungsmassen
sich in dem Menschen schon gebildet haben, desto mehrere
einstimmig zusammen zu wirken pflegen, wenn eine Begierde
als Wille in Handlung übergeht. Oft ist dagegen in einer
Vorstellungsmasse alles fertig zum Wollen, aber die andern
hindern es. So geht Unzufriedenheit der Empörung lange
voran.

227. Umstände des äußern Lebens hindern oft den
Menschen, seines ganzen Wollens inne zu werden, seinen
Charakter zu entwickeln. Ein andermal ist ihre Gunst zu
groß für die Kleinheit seines Gedankenkreises.

Der. erste Fall ist bei weitem der häufigste. Daher
besonders unter drückender Staats-Regierung, eine gefähr-
liche Verschlossenheit ungekannter Kräfte.. Daher die poli-
tische Nothwendigkeit, der menschlichen Thätigkeit eine ge-
ordnete Freyheit zu gewähren.


durch welche die Ueberlegung der Mittel und Hindemisse
geschieht, leicht begegnen und einander widerstreiten. Das
Schwanken in diesem Widerstreite ist die praktische
Ueberlegung
, welche geendigt wird in der Wahl.

Diese letztre ist ursprünglich nicht ein Werk der prak-
tischen Grundsätze
, sie macht vielmehr dergleichen erst
möglich, indem aus oft wiederhohltem Wählen in ähnlichen
Fällen allmählig ein allgemeines Wollen entsteht, und
gerade so durch hinzukommende Urtheile ausgebildet wird,
wie die allgemeinen Begriffe (179—192).

Hier aber ist schon der Uebergang in die Betrachtun-
gen des folgenden Capitels.

Anmerkung. Zu unterscheiden von dem allgemeinen
Wollen, aber gleichfalls vorbereitend auf das folgende Ca-
pitel, ist der Umstand, daß, je mehrere Vorstellungsmassen
sich in dem Menschen schon gebildet haben, desto mehrere
einstimmig zusammen zu wirken pflegen, wenn eine Begierde
als Wille in Handlung übergeht. Oft ist dagegen in einer
Vorstellungsmasse alles fertig zum Wollen, aber die andern
hindern es. So geht Unzufriedenheit der Empörung lange
voran.

227. Umstände des äußern Lebens hindern oft den
Menschen, seines ganzen Wollens inne zu werden, seinen
Charakter zu entwickeln. Ein andermal ist ihre Gunst zu
groß für die Kleinheit seines Gedankenkreises.

Der. erste Fall ist bei weitem der häufigste. Daher
besonders unter drückender Staats-Regierung, eine gefähr-
liche Verschlossenheit ungekannter Kräfte.. Daher die poli-
tische Nothwendigkeit, der menschlichen Thätigkeit eine ge-
ordnete Freyheit zu gewähren.


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[180/0188] durch welche die Ueberlegung der Mittel und Hindemisse geschieht, leicht begegnen und einander widerstreiten. Das Schwanken in diesem Widerstreite ist die praktische Ueberlegung, welche geendigt wird in der Wahl. Diese letztre ist ursprünglich nicht ein Werk der prak- tischen Grundsätze, sie macht vielmehr dergleichen erst möglich, indem aus oft wiederhohltem Wählen in ähnlichen Fällen allmählig ein allgemeines Wollen entsteht, und gerade so durch hinzukommende Urtheile ausgebildet wird, wie die allgemeinen Begriffe (179—192). Hier aber ist schon der Uebergang in die Betrachtun- gen des folgenden Capitels. Anmerkung. Zu unterscheiden von dem allgemeinen Wollen, aber gleichfalls vorbereitend auf das folgende Ca- pitel, ist der Umstand, daß, je mehrere Vorstellungsmassen sich in dem Menschen schon gebildet haben, desto mehrere einstimmig zusammen zu wirken pflegen, wenn eine Begierde als Wille in Handlung übergeht. Oft ist dagegen in einer Vorstellungsmasse alles fertig zum Wollen, aber die andern hindern es. So geht Unzufriedenheit der Empörung lange voran. 227. Umstände des äußern Lebens hindern oft den Menschen, seines ganzen Wollens inne zu werden, seinen Charakter zu entwickeln. Ein andermal ist ihre Gunst zu groß für die Kleinheit seines Gedankenkreises. Der. erste Fall ist bei weitem der häufigste. Daher besonders unter drückender Staats-Regierung, eine gefähr- liche Verschlossenheit ungekannter Kräfte.. Daher die poli- tische Nothwendigkeit, der menschlichen Thätigkeit eine ge- ordnete Freyheit zu gewähren.

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Zitationshilfe: Herbart, Johann Friedrich: Lehrbuch zur Psychologie. 2. Aufl. Königsberg, 1834, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/herbart_psychologie_1834/188>, abgerufen am 09.11.2024.